Einmal im Jahr wird der Zürcher Flughafen so angeflogen, wie sich das die Bewohner der Gemeinden südlich von Kloten immer wünschten: von Norden her. Möglich macht dies ein – seltenes – Entgegenkommen der deutschen Behörden. Sie heben am 1. August jeweils die Beschränkungen für An- und Abflüge ab 21 Uhr auf. Bekanntlich erlaubt Deutschland seit 2003 normalerweise am Abend keine Nordanflüge mehr, weshalb auf den Osten oder den Süden ausgewichen werden muss.
Am Abend der krachenden Böller und explodierenden Raketen haben die Bewohner der Goldküstengemeinden also immerhin am Nachthimmel Ruhe. Das Abbrennen von Feuerwerk ist gerade der Grund für das Einsehen auf deutscher Seite. Piloten könnten durch hochfliegende Feuerwerkskörper irritiert werden. Deshalb lockere Deutschland aus Sicherheitsgründen das Flugverbot, teilte der Flughafen im Vorfeld des 1. August mit. Ein Nebeneffekt dieser Ausnahme ist, dass die Gemeinden ihre Bundesfeiern ungestört durchführen können.
Umso überraschter waren die Besucherinnen und Besucher der Küsnachter Bundesfeier beim kantonalen Wehrmännerdenkmal auf der Forch, als es dieses Jahr anders kam. Im Zwei-Minuten-Takt seien die Ansprachen von landenden Flugzeugen unterbrochen worden, sagt Gemeindepräsident Markus Ernst (fdp.). Auch das Singen des Schweizerpsalms sei von Lärm untermalt gewesen. Er formuliert seine Kritik beissend: «Manch ein Besucher, der dem Flughafen bisher positiv gegenüberstand, fragte sich während der fluglärmbegleiteten Intonierung der Nationalhymne wohl, ob dem Wachstum nicht auch in einer liberalen und offenen Gesellschaft Grenzen gesetzt werden müssten.»
Ein Tabubruch
In einer Anfrage an den Flughafen machte er aus seinem Ärger kein Hehl. Er wollte vom Verantwortlichen wissen, ob man künftig immer mit Südanflügen am Bundesfeiertag rechnen müsse oder ob «die zuständige Person vergessen hat, dass wir in der Schweiz am 1. August Nationalfeiertag haben». Er betont, er sei «Gemeindepräsident und nicht Wutbürger». Er ärgere sich nicht bei jeder Kleinigkeit. Aber die Störung der Bundesfeier sei für ihn ein Tabubruch. Den Ärger noch gesteigert habe der Umstand, dass die letzte Landung weit nach 23 Uhr erfolgt sei. Die halbe Stunde zwischen 23 Uhr und 23 Uhr 30 steht dem Flughafen lediglich für den Verspätungsabbau zur Verfügung.
Im ersten Halbjahr haben sich die Klagen von Bewohnern von Goldküstengemeinden über Anflüge und Starts nach 23 Uhr gehäuft. Tatsächlich kommt es in allen Himmelsrichtungen immer wieder zu derartigen Flugbewegungen. Vergangene Woche hat das Bundesamt für Zivilluftfahrt aufgrund von Überschreitungen der zulässigen Fluglärmbelastung in den Nachtstunden verfügt, dass der Flughafen abends keine zusätzlichen Zeitfenster (Slots) mehr vergeben darf.
Beim Fluglärmthema spüre er als Gemeindepräsident die Frustration der Bevölkerung wie bei keinem anderen, sagt Ernst. Wöchentlich erhalte er Beschwerden. Dem Flughafen fehle das Fingerspitzengefühl, wie das Beispiel der Bundesfeier zeige. Das sei unverständlich, denn ohne die Stimmbürger der Gemeinden südlich des Flughafens werde dieser Mühe haben, künftig Abstimmungen zu gewinnen. Die Zustimmung auch in liberalen und wirtschaftsnahen Kreisen schwinde.
Im feierlichsten Moment
Die Küsnachter Bundesfeier war vom Fluglärm besonders betroffen, weil sie auf der Forch stattfand. In Herrliberg und Meilen wissen die Gemeindebehörden nichts von Beanstandungen. Festgestellt wurden die Südanflüge hingegen auch in Zumikon von einigen Besuchern, «mit Stirnrunzeln», wie Gemeindeschreiber Thomas Kauflin sagt. Zwar sei der Anlass nicht durchwegs gestört worden, aber ausgerechnet in den feierlichen Momenten rund um die Festansprache.
Der Flughafen begründete die Südanflüge gegenüber Ernst mit dem allgemeinen Feuerwerksverbot. Demnach entfiel die Einschränkung für die herkömmlichen Routen. Hinzu sei ein hohes Verkehrsaufkommen gekommen. Letzteres erklärt sich mit dem speziellen Regime am Bundesfeiertag. Von 21 bis 22 Uhr gilt der Normalbetrieb mit Landungen von Norden und Starts nach Westen; danach verbietet das Betriebsreglement Starts nach Westen. Deshalb wird ab 22 Uhr nach Norden zugleich gestartet und gelandet. Das führt zu eingeschränkter Kapazität.
Dass man sich für Süd- und gegen Ostanflüge entschied, hatte laut dem Flughafensprecher Philipp Bircher mit Gewitterzellen zu tun, die sich im östlichen Anflugsektor befunden haben. Zudem habe Rückenwind geherrscht. Zwar habe es auch im Süden Gewitterzellen gegeben; diese seien aber rasch abgeklungen. Zusätzlich hätten sich tagsüber Verspätungen angehäuft, weil zeitweise Bise und Westwind geherrscht hätten. «Hätte man an den Nordstarts festgehalten, hätte dies dazu geführt, dass der Flugbetrieb sich länger in die Nacht hineingezogen hätte.»