Täglich ungefähr um 13 Uhr landet in Kloten Icelandair-Flug568 aus Reykjavik. Die Maschine setzt, so das Betriebsreglement zur Anwendung kommt, üblicherweise auf der Piste 14 auf (Nordanflug) und rollt dann zu einem südlich der Piste 10/28 gelegenen Gate, zum Beispiel zu Gate A64. Das heisst auch: Auf seinem Weg zum Standplatz muss das Flugzeug zwingend die Piste 10/28 kreuzen.Das gilt nicht nur für die Isländer. Bedingt durch das Layoutder Rollwege muss die kürzeste und zentral gelegene Piste sowohl beim Nord- wie auch beim Ostanflugskonzept generell beständig gequert werden – auch von vielen der Flieger, die ab Piste 32 starten. Ein Risikofaktor.
«Alternativen bestehen nicht»
Im März 2011 war es auf den zwei sich kreuzenden Pisten zu einer Fastkollision zweier startender Maschinen gekommen. In der Folge regte die Schweizerische Unfalluntersuchungsstelle an, die Betriebsverfahren am Flughafen auf die Sicherheit überprüfen zu lassen. Unter anderem haben Experten alsbald empfohlen, die Piste 10/28 zu «umrollen» – um die Gefahr eines Zusammenstosses zweier Flugzeuge zu bannen. Konkret soll auf Klotener Seite ein neuer Rollweg um das östliche Pistenende herum gebaut werden. Und: Mit neuen Abrollwegen für Landungen auf der Piste 14 soll eine klare Trennung von Start- und Landeverkehr ermöglicht werden. Eine vertiefte Risikoanalyse verlieh dieser Sicherheitsmassnahme gar das Prädikat «unumgänglich». «Andere Möglichkeiten, den Gefahrenherd bei den Pistenquerungen zu eliminieren, bestehen nicht», hiess es dazu im entsprechenden Bericht.
Inzwischen hat es die «Umrollung» samt neuen Enteisungsplätzen und Abrollwegen in den Sachplan Infrastruktur Luftfahrt (SIL) geschafft. Und dafür, dasses sich beim SIL – ähnlich einem Richtplan – «nur» um Leitlinien handelt, sind die darin aufgeführten «Umrollungs»-Pläne schon erstaunlich detailliert. «Das hat ganz einfach damit zu tun, dass wir diese Objektblätter ja nicht im stillen Kämmerlein machen», sagt Nicole Räz, Sprecherin des Bundesamts für Zivilluftfahrt (Bazl). Der Flughafen Zürich habe die Vorprojekte mitentwickelt. Ein konkretes Bauprojekt stellen die Pläne zwar nicht dar; «und ja, theoretisch könnte der Flughafen alles verwerfen und ein komplett neues Modell beantragen», sagt Räz, «aber dasist eher unwahrscheinlich; man müsste dann schon ziemlich gute Gründe vorbringen können.»
Rega, Militär und Inlineskater
Vor diesem Hintergrund lohnt schon heute der Blick auf die Plankarten, zumal an dieser «Umfahrung» der Ost-West-Piste eine Reihe von Veränderungen hängt: Zunächst sind ein Teil der neuen Route und die Enteisungsplätze genau dort eingezeichnet, wo heute die Gebäude von Rega und Execu Jet stehen. Bereits im April äusserte sich Rega-Chef Ernst Kohler dazu. Man warte vorerst ab, liess er sich zitieren. Wohl verfüge man über «diverse Optionen, falls ein Umzug nötig wird» sagte er – bis 2027 dürfte das aber kaum der Fall sein. Erst dann nämlich laufe das Baurecht der Rega für das entsprechende Grundstück aus.
Neben der Rega ist auch das Militär betroffen: Denn damit die landenden Flugzeuge die «Umrollung» auch wirklich direkt ab der Piste 14 erreichen können, müssten sie Letztere nach Nordosten hin (also nach links) verlassen – und dort liegt Militärgelände. Der neue Perimeter wird tatsächlich so weit hinaus eingezeichnet, dass die Perimetergrenze neu dort zu liegen käme, wo heute die Panzerpiste verläuft. Also kein Platz mehr für Inlineskater? «Das hängt letztlich alles davon ab, was genau der Flughafen definitiv beantragen wird», sagt Räz.
Klar sei aber auch: Es werde nichts bewilligt werden, bevor nicht auch der Sachplan Militär abgesegnet sei. «Wir gehen davon aus, dass der Bundesrat im Oktober oder November über den Sachplan und das Stationierungskonzept befinden wird», sagt Renato Kalbermatten, Informationschef des VBS, dazu. Mit diesen beiden Papieren soll die Landesregierung einen Grundsatzentscheid fällen, der dann auch Auskünfte darüber zulassen wird, ob der Waffenplatz Kloten überhaupt weiterhin besteht und wie viel Fläche er allenfalls noch braucht. Gemäss letztem Stationierungskonzept von 2013 beabsichtigt die Armee, das an die Piste angrenzende Areal insgesamt zeitlich nur noch begrenzt weiter zu nutzen. Auch das hat Einfluss darauf, ob und wie ein Projekt «Umrollung 28» realisiert werden kann.
Sicherheit vor Moorschutz
Gemäss Nicole Räz ist für eine Bewilligung des dereinst einzureichenden Plangenehmigungsgesuchs des Flughafens noch ein weiterer Amtsstempel vonnöten: Der Kanton Zürich muss die Flachmoorgebiete zwischen Panzerpiste und Landebahn genau abgrenzen. Es geht um das Gebiet Goldenes Tor / Rüti Allmend, das aus fünf kleinen Teilgebieten besteht und das im «Bundesinventar der Flachmoore von nationaler Bedeutung aufgeführt ist». Das Problem: Die neuen Schnellabrollwege tangieren Schutzobjekte; der nördlichste der drei kommt sogar direkt in Teilobjekten zu liegen. Rechtlich stehen sich dabei zwei Ansprüche gegenüber: Die eidgenössische Moorlandschaftsverordnung schreibt vor, dass die Landschaft «vor Veränderungen zu schützen ist, welche die Schönheit oder die nationale Bedeutung der Moorlandschaft beeinträchtigen».
Andererseits darf die Flughafeninfrastruktur erhalten und gegebenenfalls auch erweitert werden, wenn das zum weiteren Betrieb nötig ist; und insbesondere dann, wenn wie im vorliegenden Fall Sicherheitsgründe für die Bauten ins Feld geführt werden können (Bestandesgarantie, Luftfahrtgesetz). Allerdings sind im Sinne einer Kompensation Aufwertungsmassnahmen zu treffen. Da im vorliegenden Projekt davon auszugehen sei, dass es sich um eine aus Sicherheitsgründen unumgängliche Erneuerung der Flughafeninfrastruktur handle, sei «von der moorschutzrechtlichen Zulässigkeit des Eingriffs auszugehen».