Eine Städtetrip nach Venedig oder Paris, ein Shopping-Weekend in London: Schweizer fliegen in der Freizeit immer mehr und auch weiter – laut neusten Zahlen des Bundesamts für Statistik knapp 9000 Kilometer pro Kopf und Jahr. 2010 waren es noch 5200 Kilometer gewesen.
Die Entwicklung schreckt Umweltpolitiker auf. Sie wollen dem ihrer Meinung nach «ungebremsten Wachstum» des Luftverkehrs nicht mehr länger tatenlos zusehen. So fordert SP-Nationalrat Thomas Hardegger in einem Vorstoss, dass der Bundesrat Massnahmen ergreift, um die Zahl der Kurzstreckenflüge zu reduzieren – stattdessen sollen wir wieder vermehrt die Bahn nehmen. Auch Parteikollegin und Fluglärmgegnerin Priska Seiler Graf möchte von der Regierung wissen, was sie unternehme, damit die Leute vermehrt die Eisenbahn benutzen.
«Manche steigen jedes Wochenende ins Flugzeug»
«Heute sind die Flüge so blödsinnig billig, dass manche Leute Weekend für Weekend ins Flugzeug steigen. Dabei kann man im Radius von 500 Kilometern gut den Zug nehmen», sagt SP-Nationalrätin Seiler Graf. Auch Flüge von Zürich nach Genf machten absolut keinen Sinn.
Ansetzen möchte sie beim Preis: «Eine Möglichkeit wäre eine Abgabe auf Flugtickets.» Wolle man das Reiseverhalten verändern, gehe das am einfachsten über das Portemonnaie. Daneben müssten die Leute dafür sensibilisiert werden, wie viele Treibhausgase bei einem einzigen Flug anfallen.
«Das Verlagerungspotenzial ist riesig»
Auch Hardegger sagt, die heutigen Flugpreise widerspiegelten nicht die wahren Kosten, die etwa durch den Co2-Ausstoss oder den Lärm anfallen. Diese Kosten trage die Allgemeinheit. «46 Prozent der Enddestinationen aller Flüge liegen im nahen Ausland. Das Verlagerungspotenzial ist also riesig.»
Der Bundesrat solle nun eine Auslegeordnung vornehmen – denn ohne Massnahmen werde man die Ziele des Pariser Klimaabkommens nicht erreichen. Hardegger kann sich vorstellen, dass sich die Fluggesellschaften stärker an den Kosten für die Infrastruktur oder die Sicherheit beteiligen müssen. Sollte das Fliegen nicht teurer werden, müssten die Bahntickets billiger werden, so Hardegger. «Ohnehin sollten die Anschlüsse an die Hochgeschwindigkeitszüge schleunigst ausgebaut werden.»
Swiss warnt vor Vorstoss
Die Forderungen sorgen bei FDP-Vize Christian Wasserfallen für Kopfschütteln. Er will der Bevölkerung die Wahlfreiheit lassen. «Längst nicht alle europäischen Städte sind schnell und bequem per Zug zu erreichen.» Erlasse die Schweiz einseitig Beschränkungen, schneide sie sich ins eigene Fleisch. «Die Berner Skywork Airlines fliegt nur in Europa. Sie könnte gleich dichtmachen.» Der Weg führe über globale Klimavereinbarungen, wie sie die Internationale Zivilluftfahrt-Organisation kürzlich mit dem Abkommen Corsia beschlossen habe.
Auch die Fluggesellschaft Swiss warnt davor, die Kurzstreckenflüge zu beschneiden: Damit von der Schweiz aus ein umfassendes Netz an Langstreckenverbindungen betrieben werden könne, brauche es Transferpassagiere. «Ohne Kurzstrecken könnte Swiss ihr breites, volkswirtschaftlich bedeutsames Langstreckennetz nicht aufrechterhalten», sagt Sprecherin Karin Müller. «Hauptleidtragende wären in erster Linie alle international orientierten Unternehmungen in der Schweiz und deren Mitarbeiter, in zweiter Linie die gesamte Volkswirtschaft der Schweiz und unser Wohlstand.»
Zudem befinde sich die Swiss inmitten einer Flottenmodernisierung und habe über sechs Milliarden Schweizer Franken in technologisch fortgeschrittene Flugzeuge investiert. So kann mit dem neuen Bombardier-CSeries-Jet der Treibstoffverbrauch um bis zu ein Viertel gesenkt werden.