In der Südanflugroute des Flughafens gab es bis anhin viele Pechvögel: Diejenigen Anwohner nämlich, die am Morgen durch Fluglärm geweckt wurden, aber trotzdem kein Anrecht auf vom Flughafen bezahlte Lärmschutzmassnahmen hatten. Denn die Fluglärmbelastung wird pro Tag über einen Zeitraum von 16 Stunden ermittelt. Wo die Flugzeuge aber am Morgen nur während eines Zeitraums von ein bis drei Stunden laut sind, reicht der Durchschnitt nicht, um den Lärmgrenzwert zu überschreiten.
Ein Urteil des Bundesgerichts von 2010 zwingt die Flughafen Zürich AG nun trotzdem dazu, in rund 10000 Schlafzimmern südlich des Flughafens, in welchen der Grenzwert nicht überschritten wird, Lärmschutzmassnahmen einzubauen. Die Bewohner in diesem Gebiet hätten wegen des Lärms am Morgen sogenannte Aufwachreaktionen, befand das Gericht. Und damit Anrecht auf Schutzmassnahmen.
Eigentümer entscheidet über die Massnahme
Ab nächster Woche bis Dezember 2017 wird deshalb das Schutzkonzept Süd umgesetzt. Dies gab der Flughafen gestern an einer Medienkonferenz bekannt. In 1000 Liegenschaften in Zürich Schwammendingen, Opfikon, Wallisellen und Dübendorf werden für rund acht Millionen Franken Schlafzimmer leiser gemacht. «Die Eigentümer der Liegenschaften haben die Wahl zwischen einem Fensterantrieb, welcher das Fenster während der frühen Morgenstunden automatisch schliesst, oder einem Schalldämmlüfter, der bei geschlossenem Fenster für Frischluftzufuhr sorgt», sagte Projektleiterin Edith Hug.
Anrecht auf solche vom Flughafen finanzierte Massnahmen haben Eigentümer von Liegenschaften, die im sogenannten Dachziegelklammersektor liegen. Dieser Sektor umfasst jene Häuser, deren Dachziegel ohne Klammern durch die Anflüge weggewindet werden würden. Zudem werden nur Liegenschaften berücksichtigt, die zu Wohnzwecken genutzt werden, die nicht schon vom Schallschutzprogramm 2010 profitieren und die vor 2011 gebaut worden sind. Ob sie die Massnahmen wollen und wenn ja welche, das können die Eigentümer selbst entscheiden.
Betroffenes Gebiet könnte noch ausgeweitet werden
Seit dem Bundesgerichtsurteil sind inzwischen fast sechs Jahre vergangen. Das Konzept wurde wegen verschiedener Einsprachen immer wieder verzögert. Wer nun in einer vom Schutzkonzept Süd betroffenen Liegenschaft selber Massnahmen getroffen hat, erhält die dafür aufgewandten Kosten nicht automatisch rückvergütet. Nur wer selbst einen Motor oder Schallschutzlüfter installiert hat, hat zum Abschluss des Projekts Anrecht auf Rückvergütung. Wer aber stattdessen etwa schalldichte Fenster eingebaut hat, erhält kein Geld dafür.
Die Massnahmen, die der Flughafen nun umsetzt, kommen nicht überall gut an. Matthias Dutli, Präsident des Vereins Flugschneise Süd (VFSN), stört sich am betroffenen Perimeter. «Das Gebiet ist zu eng gefasst. In manchen Gemeinden kommt es vor, dass ein Gebäude auf der einen Seite der Strasse Anspruch auf Massnahmen hat, Gebäude auf der anderen Seite aber nicht.» Auch dass Betroffene, die einen Schalldämmlüfter mit Wärmerückgewinnung bevorzugen, zusätzlich 850 Franken bezahlen müssen, stösst Dutli sauer auf.
Möglich ist indes, dass der Flughafen in Zukunft noch weitere Gebäude mit Fenstermotoren oder Lüftern ausstatten muss. Denn er hat vom Bundesgericht auch den Auftrag erhalten, bis Dezember 2017 einen Perimeter auszuarbeiten, der auf Lärmwerten basiert. Bis das entsprechende Konzept aber den Genehmigungsprozess durchlaufen hat, dürfte es wieder einige Jahre dauern.