Interview von Andreas Schürer, Michael Schäfer (Auszug)
Zum Verzweifeln dürfte auch das Thema Pünktlichkeit sein: Jeder vierte Flug hat beim Abflug in Zürich mehr als 15 Minuten Verspätung. Sicher haben Sie bei Flughafenchef Stephan Widrig schon einen Forderungskatalog deponiert.
Nun, wir haben viele Gespräche geführt. Allen ist klar, dass wir besser werden müssen, die vielen Verspätungen passen auch nicht zur Schweiz. Dies ist aber nicht über Nacht lösbar. Wir können einige Hausaufgaben machen, wir überlegen zum Beispiel, ob wir immer auf Anschlusspassagiere warten sollen. Das wird aber nicht den Durchbruch bringen. Letztlich ist es eine Frage der Kapazität, sowohl am Boden als auch in der Luft. Und nicht zuletzt braucht es auch Wetterglück: Der gewittrige Juni hat in Bezug auf die Pünktlichkeit vielen europäischen Flughäfen zugesetzt.
Immer wieder hört man den Vorwurf, Skyguide habe nach diversen Vorkommnissen die Sicherheitsmarge zu stark ausgeweitet und lotse systemisch statt taktisch.
Das ist ein heikles Thema, das intensiv besprochen wird. Meine Meinung ist klar: Skyguide kann sich im Umgang mit identifizierten Risiken verbessern, auch wenn klar ist, dass die Sicherheit immer höchste Priorität haben muss.
Den Durchbruch wird auch dies nicht bringen. Wie kann die angesprochene Kapazität in Zürich gesteigert werden?
Wichtig ist zunächst einmal, dass alle Stakeholder am Flughafen einheitlich kommunizieren. Es gibt nicht die eine Massnahme, aber grundsätzlich sollten vom Flughafen bis Skyguide alle das Gleiche fordern – etwa Verlängerungen der Pisten 28 und 32, Südstarts geradeaus in bestimmten Wetterlagen und in Spitzenzeiten am Mittag sowie Schnellabrollwege. Wir als Hub-Carrier brauchen vor allem mehr Kapazität in den Spitzenzeiten. Dann können wir auch Flüge nach 23 Uhr abbauen, die heute wegen über den Tag kumulierter Verspätungen erst dann starten können.
Der Bundesrat wird wohl noch im Herbst den zweiten Teil des Sachplans zum Flughafen Zürich vorlegen. Müssen Massnahmen wie Verlängerungen der Pisten 28 und 32 sowie der Südstart geradeaus zu Spitzenzeiten enthalten sein?
Ja, ganz klar. Der Sachplan setzt die Rahmenbedingungen in einem langen Zeitfenster. Er muss so weit greifen, dass alle denkbaren Hebel enthalten sind. Dann kann immer noch diskutiert werden, wie man die Massnahmen im konkreten Betriebsreglement mixt, um eine faire Verteilung der Lärmbetroffenheit hinzubekommen. Aber es wäre fatal, schon jetzt bestimmte Instrumente aus der Hand zu geben.
Wie müsste der Südstart geradeaus eingesetzt werden, damit er etwas bringt?
Zuerst dies: Die ganze Diskussion fokussiert unglaublich stark auf den Südstart geradeaus. Er muss zwar im Sachplan enthalten sein, bei bestimmten Wetterlagen und in der Mittagsspitze zwischen 10 und 14 Uhr. Aber ich halte es für einen Fehler, zu denken, dass alles an diesem Südstart liegt. Andere Themen sind gleichzeitig zu bewegen, zum Beispiel das mühselige Thema der Anflüge aus Deutschland. Da muss sich in den nächsten Jahren eine Lösung herauskristallisieren.
Eine solche Lösung zeichnet sich aber nicht ab: Der Staatsvertrag ist in Berlin blockiert, die vom Flughafen geplante Entflechtung des Ostkonzepts bekämpft Südbaden vehement, obwohl die Flugzeuge dort nie tiefer fliegen würden als 3600 Meter über Meer.
Da muss ich auch als Deutscher den Kopf schütteln. Die Entflechtung des Ostkonzepts würde Gebieten in Südbaden eine Belastung von 20 bis 30 Dezibel bringen – da kann man wirklich nicht von Lärm sprechen. Entsprechend verstehe ich die Verärgerung auf Schweizer Seite. Wir kämpfen auf verschiedensten Ebenen für bessere Lösungen, aber auch da braucht es einen langen Atem.
Die Fühler ausstrecken muss die Swiss auch nach Bundesbern. Dort wird gerade ein Gesuch der Vereinten Arabischen Emirate behandelt, die Zürich als Umsteige-Hub für Flüge von Dubai nach Mexiko nutzen wollen. Wie bedrohlich wäre es für die Swiss, wenn das Gesuch gutgeheissen würde?
Bedrohlich ist nicht das Einzelgesuch, sondern grundsätzlich die Vergabe von solchen Rechten auf Umsteigeflüge, die Vergabe der fünften Freiheit. Wir müssen uns bewusst sein, dass Golfstaaten versuchen, Passagierströme umzulenken – mit staatlich subventionierten Mitteln. Wir stellen uns dem Wettbewerb, aber so ist er vollkommen verzerrt.
Was droht denn konkret?
Die Golf-Carrier bieten heute schon Überkapazitäten Richtung Asien an. Jetzt kommt der nächste Schritt: Sie versuchen, aus Europa, auch aus der Schweiz, Anbindungen Richtung Nordamerika zu bieten. Das Problem dabei ist folgendes: In Zürich können wir mit dem lokalen Aufkommen drei bis fünf Langstreckenziele anbieten, mehr nicht. Wir müssen also aus europäischen Nachbarstaaten Umsteigepassagiere einfliegen können. Wenn nun aber eine Emirates aus Städten wie Genf, Budapest oder Mailand mit subventionierten Mitteln Flüge nach Nordamerika anbietet, fehlen uns diese Gäste in der Zubringung, und dann brechen ganze Netze zusammen.