In Zürich stossen die Pläne der Verkehrsministerin Doris Leuthard auf harschen Widerstand. Von links und rechts heisst es, der Bund solle nicht mehr Einfluss auf den Flughafen nehmen.
Die Pläne von Doris Leuthard kommen in Zürich nicht gut an. Die Verkehrsministerin will den Einfluss Berns auf die Landesflughäfen stärken, allen voran auf den Flughafen Zürich. Zu diesem Zweck will sie im Strategiebericht über die Luftfahrtpolitik der Schweiz (Lupo) die Forderung aufstellen, der Bundesrat solle den Landesflughäfen in deren Sachplänen verbindliche Leistungs- und Kapazitätsziele vorgeben können. Dies beantragt Leuthard dem Bundesrat, wie gut informierte Quellen berichten (NZZ 2. 2. 16).
Zürcher Politiker halten dies parteiübergreifend für einen falschen Ansatz. Für Thomas Maier, Präsident der GLP, ist Leuthard schlicht «ein Lastwagen- und Flughafenturbo». Gegen den Willen des Kantons und der Standortgemeinden Kapazitätserweiterungen durchzusetzen, sei in einem demokratisch-föderalistischen System nicht erfolgversprechend. Massnahmen wie die Einführung des umstrittenen Südstarts geradeaus könnten nicht an der Bevölkerung vorbei durchgedrückt werden, nur weil sie allenfalls zur Erreichung eines vom Bundesrat vorgegebenen Ziels im Sachplan nötig seien.
Thomas Hardegger, SP-Nationalrat, Gemeindepräsident von Rümlang und Präsident des Schutzverbands der Bevölkerung, warnt vor einem schleichenden Abbau föderaler Kompetenzen. Raumplanung sei Sache der Kantone. Wolle nun der Bundesrat Sachpläne für politische Zielvorgaben nutzen, müssten die Kantone dem sofort einen Riegel schieben. Angesichts der stagnierenden Bewegungszahl in Zürich bestehe überhaupt kein Grund für ein «Vorpreschen» Leuthards. Irritierenderweise reagiere die Verkehrsministerin auf Druck der deutschen Lufthansa beziehungsweise von deren Tochter Swiss. «Doch die dortigen Verantwortlichen würden besser schauen, dass die einseitigen Beschränkungen Deutschlands wegfallen», sagt Hardegger. Dem Bundesrat müsse auch in Erinnerung gerufen werden, dass der Lupo bloss eine Absichtserklärung sei, über die nur er, nicht aber das Parlament entscheide. Störend ist für Hardegger, «dass sich der Bundesrat bei jeder Gesetzesvorlage auf den Lupo abstützt und so tut, als sei dieser heilig».
Mehr als eine schöngeistige Absichtserklärung ist der Lupo indes schon: Er gibt die Strategie des Bundesrats vor und prägt alle nachgelagerten Verfahren, zentral etwa die Sachpläne, in denen zulässige Entwicklungsschritte für die nächsten rund 20 Jahre raumplanerisch gesichert werden. Die letzte Fassung des Lupo stammt aus dem Jahr 2004; nun soll sie aktualisiert werden.
Dass der Bundesrat neu im Sachplan für den Flughafen Zürich verbindliche Vorgaben aufstellen soll, hält auch SVP-Kantonsrat Martin Arnold für falsch. Der Bund habe heute schon genug Kompetenzen – diese solle er ausschöpfen, statt ein neues Kampffeld aufzutun (siehe «Tribüne», Seite 11). Regine Sauter, FDP-Nationalrätin und Direktorin der Zürcher Handelskammer, sagt: «Ein Flughafen kann nicht gegen die Bevölkerung betrieben werden.» Das Zürchervolk habe bisher immer flughafenfreundlich abgestimmt. Bald gelange zudem eine kantonale Initiative an die Urne, mit deren Annahme die Mitsprache der Bevölkerung zusätzlich vergrössert würde: Laut der Forderung des Komitees Pro Flughafen sollen Pistenverlängerungen in jedem Fall vor das Volk gebracht werden können – auch wenn der Kantonsrat sie ablehnt.
Diametral anders wertet Leuthards Pläne Paul Kurrus, Präsident des Luftfahrt-Dachverbands Aerosuisse. Dass die Zürcher Bevölkerung stets flughafenfreundlich entscheide, sei zwar richtig – aber nur die halbe Wahrheit. Der Preis für mehrere divergierende Lokalinteressen sei nämlich, dass Zürich heute das Drehkreuz mit den stärksten betrieblichen Einschränkungen in ganz Europa sei. Sowohl der Flughafen als auch der Homecarrier Swiss verlören gemäss einer Bundesstudie jährlich an Wettbewerbsfähigkeit. Schon heute träten Engpässe auf, Verspätungen seien an der Tagesordnung. Das Fazit von Kurrus: «Der Flughafen Zürich ist eine national bedeutsame Infrastruktur, bei welcher der Bund bei übergeordneten Fragen der Sicherheit und Spitzenkapazität seinen Einfluss verstärken sollte.»
siehe auch:
Doris Leuthard setzt Zürich unter Druck (NZZ)