Wer
Thomas Kern in den letzten Monaten fragte, wie lange er noch an der Spitze des Flughafens Zürich bleiben werde, erhielt zur Antwort: sicherlich nicht bis zu Pensionierung. Gestern teilte das Unternehmen mit, dass der CEO Ende Jahr von Stephan Widrig abgelöst werde. Kern, dannzumal 62, will bis zur Pensionierung Verwaltungsratsmandate wahrnehmen, wie er auf Anfrage erklärt.Nach sieben Jahren in der obersten Chefposition kann sich Kern ob des Erreichten durchaus auf die Schulter klopfen. Die Fluggäste wissen den Airport sehr zu schätzen. Das zeigen die internationalen Rankings, in denen Zürich-Kloten regelmässig unter den ersten zehn zu finden ist.
Als Kern in die Flughafenleitung kam, wunderte sich der eine oder andere, was der im Detailhandel gross gewordene Manager (er leitete zuvor die Globus-Gruppe) ohne Aviatikkenntnisse wohl bewirken werde. Die Zahlen geben eine klare Antwort: Der Airport ist hinter dem Glattzentrum zum grössten Einkaufscenter der Schweiz gewachsen. Eine sprudelnde Einnahmequelle, die hauptsächlich zum Gewinn beiträgt. Im letzten Jahr betrugen die Einkünfte aus dem nicht-aviatischen Bereich 370 Millionen Franken. Im ersten Halbjahr 2014 wurden 185 Millionen Franken erwirtschaftet. Bezüglich der Profitabilität steht der Flughafen im internationalen Vergleich beneidenswert gut da.
Gegner lieferten Zermürbungskrieg
Im aviatischen Bereich dürfte das Schulterklopfen hingegen spärlicher ausfallen. Hier wird sich Kern noch bis zum Ablauf seines Vertrags mit zahlreichen vertrauten Gegnern auseinanderzusetzen haben. Einige davon haben ihm einen Zermürbungskrieg geliefert.
Als sein Rücktritt bekannt wurde, twitterte das Fluglärmforum Süd: «Bilanz nach der Ära Kern: Top Flughafen – aber zulasten der Bevölkerung rundherum. Politische Blockierung.»
Das Fazit weicht gar nicht einmal so stark ab von jenem von Thomas Kern. «Das Schwierigste ist sicherlich, dass sich die divergierenden Interessen rund um den Flughafen eigentlich neutralisieren. Das machte es praktisch unmöglich, die Anliegen aller zu berücksichtigen», erklärt er auf die Frage, welches der härteste Brocken in seiner siebenjährigen Tätigkeit gewesen sei. Das «enge politische Korsett» und die «berechtigten Ruhebedürfnisse der Anwohner» kollidierten mit dem Betrieb der interkontinentalen Verkehrsdrehscheibe.
Streit um Gebühren
Die Airlines wiederum erzürnten sich über die vom Nicht-Aviatiker Kern verlangten Gebührenerhöhungen, die den in ihren Augen ohnehin schon im internationalen Vergleich teuren Flughafen noch teurer macht. Der Gebührenstreit liegt derzeit vor dem Bundesamt für Zivilluftfahrt.
Mit alldem wird sich ab kommendem Jahr sein Nachfolger Stephan Widrig herumschlagen müssen. Auch er ist von seiner Ausbildung her kein Aviatiker, aber immerhin schon seit 1999 im Flughafenunternehmen tätig. Der 42-Jährige ist seit 2008 für den kommerziellen Bereich des Flughafens zuständig – und damit auch für das von Thomas Kern vorangetriebene Prestigeprojekt The Circle. Auf dem vom Flughafen und der Swiss Life als Co-Investorin finanzierten 180\'000 Quadratmeter Nutzfläche sollen bis 2018 Büros, zwei Hotels, ein Kongresszentrum, Läden und Gesundheitseinrichtungen entstehen.
Vom Ziel von 50 Prozent vermieteter Fläche, um mit dem Bau zu beginnen, sind die Circle-Initianten allerdings trotz Zusagen der Hyatt-Hotelgruppe und des Unispitals momentan noch deutlich entfernt. Erschwerend kommt hinzu, dass der Büroflächenmarkt in Zürich und Umgebung von Immobilienspezialisten als Sorgenkind bezeichnet wird. Es hat zu viele leere Bürofläche.
Aus der Ernennung von Widrig lässt sich schliessen, dass man bei der
Flughafen Zürich AG noch immer an das Projekt glaubt.