Der Kantonsrat hat sich am Montag gegen einen Pistenausbau am Flughafen ausgesprochen. Ist der Ausbau nicht zwingend im Staatsvertrag mit Deutschland vorgeschrieben?
Wie realistisch ist der Staatsvertrag?
In Deutschland ist die Ratifizierung auf Eis gelegt. Signale für eine baldige Unterzeichnung gibt es nicht. Süddeutschland pocht auf eine Verschärfung.
Welches Signal setzt der Kantonsrat mit dem Entscheid gegen die Pistenverlängerung?
Die Schweiz hat den Staatsvertrag ratifiziert – daran kann auch der Kantonsrat nichts ändern. Für Deutschland ist es unerheblich, wie die Schweiz die zusätzlichen Anflüge abwickelt.
Kann auf den Ausbau verzichtet werden, falls Deutschland den Vertrag nicht ratifizieren sollte?
Ohne Ratifizierung bliebe es beim heutigen Betriebssystem mit Ostanflügen ab 21 Uhr. Der Flughafen will die Pisten deshalb so oder so verlängern.
Welche Pisten sollen verlängert werden und warum?
Zum einen die Piste 10/28. Ursprünglich als Westwindstartpiste gebaut, wird sie heute ab 21 Uhr als Landepiste von Osten her genutzt. Bei trockenem Wetter und Westwind ist diese kürzeste Zürcher Piste auch für den A380 lang genug; bei Nässe wird es kritisch. Dann müssen die Flieger auf den Südanflug ausweichen. Auch bei sehr schlechter Sicht muss von Süden her angeflogen werden; daran ändert die Verlängerung nichts. Zum andern soll die Piste 14/32 nach Norden verlängert werden. Hier geht es um Nordstarts. Bisher müssen schwere Maschinen dafür die längere Piste 34 nutzen. Diese kreuzt sich aber mit der Landepiste 10/28. Zudem ist der Weg vom Dock E zur Piste 34 sehr lang.
Warum wird nicht einfach öfter von Süden angeflogen?
Einerseits ist der Süden deutlich dichter besiedelt als der Osten. Anderseits erlaubt der Südanflug noch weniger Flugbewegungen pro Stunde, weil Start- und Landepiste bei diesem Anflug nicht unabhängig voneinander betrieben werden können. Andere Anflüge, etwa aus Südosten oder Westen, sind aus Gründen der Topografie nicht möglich.
Wem bringt der Pistenausbau mehr Lärm, wen entlastet er?
Das hängt davon ab, ob Deutschland den Staatsvertrag ratifiziert. Er hat deutlich mehr Auswirkungen auf die Lärmverteilung als der Ausbau der Pisten. Am stärksten davon belastet wird der Osten. Dort bringt der Vertrag drei Stunden mehr Flugverkehr. Spürbar dürfte das neue Flugsystem auch im Norden sein: Während des Ostanflugs wird in diese Richtung gestartet, was deutlich lauter ist als die bisherigen Nordanflüge. Mit dem Pistenausbau dürfte der Lärm im Osten und Norden stärker zunehmen als ohne Ausbau, weil mehr Flugbewegungen möglich sind. Grosse Hoffnungen in einen Pistenausbau setzt der Süden: Ist der Anflug von Osten weniger wetteranfällig, muss der Flughafen seltener auf den Südanflug ausweichen. Die Frage ist aber, wie gross dieser Effekt gegenüber heute ist.
Warum sprachen sich Bürgerliche aus dem Norden und Westen gegen den Pistenausbau aus, Bürgerliche aus dem Osten aber nicht?
Thomas Vogel (FDP, Illnau-Effretikon) sagte, es sei der falsche Weg, die Pistenverlängerung über den Richtplan verhindern zu wollen. Komme ein konkretes Projekt, werde er es bekämpfen. Den Politikern aus dem Norden geht es darum, dem Flughafen grundsätzlich Grenzen zu setzen. Der Flughafen habe Kapazität genug, finden sie.
Kann der Bund den Pistenausbau erzwingen?
Der Bund kann den Richtplan korrigieren, aber nach heutigem Recht entscheiden der Zürcher Kantonsrat und allenfalls die Zürcher Stimmbürger über ein konkretes Bauprojekt. Der Bund hat zwar eine Zeit lang Pläne gewälzt, dem Kanton die Entscheidungshoheit darüber zu entziehen; aus politischen Gründen ist er aber wieder davon abgekommen. Einen Ausbau beantragen und finanzieren müsste der Flughafen.
Leider wurden im oben stehenden Artikel die wirklich entscheidenden Fragen nicht gestellt. DerVFSN holt das an dieser Stelle nach:
Warum stimmten die bürgerlichen Kantonsräte aus dem Norden gegen eine Pistenverlängerung, waren aber gegen fixe Abgrenzungslinien*) und für einen zivilen Flugplatz Dübendorf? Ist es nicht widersprüchlich mit dem Argument „das Wachstum des Flughafens begrenzen" gegen eine Pistenverlängerung sein, aber durch flexible Abgrenzungslinien dem Wachstum Tür und Tor zu öffnen und durch einen zivilen Flughafen Dübendorf Kapazität für zusätzliche 30’000 Bewegungen von Grossraumflugzeugen am Flughafen Zürich zu schaffen?
Die bürgerlichen Politiker im Norden behaupten, der Flughafen habe genug Kapazität. Die Bewegungen nehmen ja ab, also liegen die Politiker doch richtig?
Warum wird im Artikel des Tages-Anzeigers die Lieblingsvariante vom BAZL, Nordkonzept mit Südstarts geradeaus, nicht aufgeführt?
Diese Variante hat die höchste Kapazität. Wenn man eine Pistenverlängerung ablehnt mit der Argument „Stopp der Kapazitätserhöhung " ist es peinlich, dass man offensichtlich durch Verhinderung einer Pistenverlängerung den Flughafen geradezu zwingt, auf eine Variante mit höherer Kapazität auszuweichen! Oder geht es etwa gar nicht um Kapazität sondern darum den Fluglärm in dichtest besiedelte Gebiete abzuschieben?
Die Gegner der Pistenverlängerung argumentieren, dass sie mit einem Pistenverlängerungsverbot ein grenzenloses Wachsen des Flughafens verhindern wollen. Wenn man die Grafiken betrachtet kann davon keine Rede sein, das Ostkonzept mit verlängerter Piste hat die gleiche Kapazität wie das heutige Nordkonzept.
Schon bei der Behördeninitiative lief es nach genau dem gleichen Muster ab. Warum durchschauen die GLP, die Grünen und die SP das miese Spiel nicht? Warum sorgen ausgerechnet diese Parteien durch ihren Kampf gegen eine Pistenverlängerung dafür, dass dadurch mit dem Nordkonzept und den Südstarts straight, das kapazitätsstärkste Regime zum Einsatz kommen wird?
*) Ausserhalb der Abgrenzungslinien darf der Fluglärm die festgelegten Grenzwerte nicht überschreiten. So wie die Abgrenzungslinien heute verlaufen, wären Südstarts straight nur in sehr geringen Ausmass möglich. Da diese Abgrenzungslinien nach dem Kantonsratsbeschluss jederzeit problemlos verschoben werden können, schützen diese Abgrenzungslinien weder vor Südstarts straight, noch erfüllen sie sonst einen Zweck. Sie müssten konsequenterweise ganz abgeschafft werden.