Stefan Hotz
Fliegen macht Lärm und beeinträchtigt die Lebensqualität. Das hat diese Woche einmal mehr der neue Bericht zum Zürcher Fluglärmindex gezeigt. Die Luftfahrt schafft aber auch am Boden Probleme. Obwohl die Anzahl der Bewegungen abnimmt, soll sich der Flughafen räumlich ausdehnen können. Das geschieht vor allem im Westen des Geländes, entlang der Glatt. Dort allerdings stösst das Unterfangen auf unterschiedlich motivierten Widerstand seitens der betroffenen Standortgemeinden und der Landwirtschaft.
Flughafen braucht Ökoflächen
Grundsätzlich hat das Ende November 2012 von der kantonalen Baudirektion lancierte Projekt zur Renaturierung der Glatt mit dem Flughafen wenig zu tun. Es entspricht einem Auftrag aus dem Bundesgesetz über den Gewässerschutz und ist seit 2009 als Ziel im kantonalen Richtplan eingetragen. Treibende Kraft ist dennoch der Flughafen. Er will nicht nur die Piste im Westen und Osten verlängern, aus Sicherheitsgründen und um allfällige weitere Restriktionen durch Deutschland aufzufangen. Auch Standflächen für Flugzeuge sollen verschoben und erweitert werden. Für diese Nutzung des Bodens sind zwingend ökologische Ersatzflächen zu schaffen.
Deshalb steht die Glattrevitalisierung auch im Interesse des Flughafens. Ziel sind ein höherer Hochwasserschutz, die verbesserte Selbstreinigungskraft des Flusses und die Steigerung der Artenvielfalt im Gewässerraum. Mit der geplanten Verlängerung der Piste gegen Rümlang hin müsste der Fluss zwar auf einer Länge von knapp 40 Metern in einen Tunnel verschwinden. Auf dem Gebiet der Gemeinden Rümlang und Oberglatt soll die begradigte Glatt jedoch aus ihrem Korsett befreit werden und wieder mäandrieren können (siehe Karte). Geschieht dies unmittelbar neben dem Flughafen, entsteht für ihn auch ein Imagegewinn. Derzeit realisiert er ökologischen Ersatz weiter flussabwärts bei Glattfelden .
Die Renaturierung von Gewässern benötigt Kulturland. Im Fall der Glatt spricht man derzeit von rund 70 Hektaren, das sind zwei ganze Bauernbetriebe. Spätestens seit dem unerwarteten Volks-Ja zur Kulturlandinitiative hat der Schutz von gutem Ackerland Konjunktur. Vor drei Wochen stellte der Zürcher Bauernverband (ZBV) die Forderung auf, bei der Revitalisierung von Fliessgewässern seien die Anliegen der Landwirtschaft gleichberechtigt zu berücksichtigen. Auf dem Gemeindegebiet von Oberglatt will der Flughafen zudem ein neues Retentionsbecken bauen, zur Reinigung des Wasser, das unter anderem durch die Enteisung verschmutzt wird. Mit dem in einer ersten Etappe erlassenen Objektblatt für den Flughafen hat der Bund dafür eine 16 Hektaren grosse Exklave des Flughafenperimeters auf Oberglatter Boden ausgespart, ohne dass die Gemeinde dazu etwas zu sagen hatte. «Wir wurden einfach vor vollendete Tatsachen gestellt», sagt Gemeindepräsident Werner Stähli.
Diese Fläche besteht aus gutem Kulturland. Die Gemeinde will nun den Eigentümer unterstützen. Er hat Anfang November gegenüber dem «Zürcher Unterländer» angekündigt, er werde sich gegen die Enteignung wehren. Laut Stähli ist das Land für Oberglatt ausserdem ein Reservegebiet für Gewerbe und Industrie. Die Gemeinde wie auch der Bauernverband betonen seit längerem, der Flughafen solle sein Schmutzwasser in einer konventionellen Kläranlage auf seinem eigenen Gebiet reinigen. Seitens des Flughafens wird dazu auf Anfrage festgehalten, dass dies für schwach belastetes Wasser aus technischen Gründen nicht infrage komme; nur schon die Menge sei dafür zu klein. Das Gebiet in Oberglatt sei vorsorglich als Erweiterungsfläche für den Flughafen vorgesehen.
Workshop fällt aus
Inzwischen ist das kantonale Projekt unter dem Titel «Landschaftsentwicklung Glattraum Rümlang/Oberglatt» ins Stocken geraten. Ein für Ende Jahr geplanter dritter Workshop mit allen Beteiligten findet vorderhand nicht statt. «Das Projekt ist nicht sistiert, die planerischen Arbeiten gehen weiter», erklärt Markus Pfanner, Sprecher der Baudirektion, auf Anfrage. Doch einige in der nächsten Zeit vorgesehenen Veranstaltungen fänden nicht statt.
Grund sind neuere Entwicklungen in Bern. Im Bundesparlament sind derzeit ein halbes Dutzend Standesinitiativen sowie mehrere Vorstösse hängig, die alle zum Ziel haben, im Interesse der Landwirtschaft die Verordnung zum Gewässerschutzgesetz zu entschärfen. «Wir brauchen mehr Klarheit über allfällige Auswirkungen dieser Vorstösse, bevor wir mit den Beteiligten wieder zusammentreffen», sagt Pfanner.
Die Brisanz des Themas zeigt sich in einem weiteren Punkt. Die Konferenz der kantonalen Bau-, Planungs- und Umweltdirektoren hat vor kurzem ein Merkblatt des Bundesamts für Umweltschutz zur Umsetzung des Gewässerschutzes im Landwirtschaftsgebiet zurückgewiesen. Sie will noch einmal das Gespräch mit Departementsvorsteherin Doris Leuthard suchen. Der Flughafen ist also nicht nur der Kritik lärmgeplagter Anwohner ausgesetzt. Und die Gemeinden im Westen haben noch andere Sorgen. Sie wehren sich ebenso dagegen, dass das Glattufer zum Freizeitpark wird. Rümlang habe ein kompaktes Siedlungsgebiet mit viel Grün rundherum, sagt Gemeindepräsident Thomas Hardegger. Der Raum an der Glatt könne etwa so bleiben wie heute. Rümlang sei nicht darauf erpicht, zum überregionalen Erholungsgebiet zu werden, das Menschenmassen anziehe.
Widerstand der Bauern
Bei Rümlang und Oberglatt prallen also mehrere gegensätzliche Interessen aufeinander, so dass eine gütliche Lösung kaum mehr möglich scheint. Während Flughafen und Naturschutz, jedenfalls bezüglich der Glatt, an einem Strick ziehen, zeichnet sich neuer Widerstand gegen die Ausbaupläne durch die Bauern ab. Ihr Zürcher Präsident, Hans Frei, betont zwar, sein Verband sei nicht gegen den Flughafen. Er macht aber gleichzeitig klar, dass beim Kulturlandverlust die rote Linie erreicht ist. Die Gegenseite bleibt ebenso hart. Der Vorschlag zur Güte, einen Arm der revitalisierten Glatt in den Perimeter des Flughafens mäandrieren zu lassen, erntete seitens der Direktion und der Flughafenplaner jedenfalls ein klares «Njet».