Fliegen sei immer ein «kalkuliertes Risiko», sagte Bundesrat Johann Schneider-Ammann gestern Abend am diesjährigen Forum des Luftfahrt-Dachverbands Aerosuisse. «Die Politik hat die Voraussetzungen zu schaffen, damit die Schweizer Luftfahrt und ihre Industrie die Risiken kalkulieren kann.»
Doch die Rahmenbedingungen sind für die Branchenvertreter alles andere als ideal. Der Luftfahrt komme in Zeiten der Globalisierung eine zentrale Rolle zu, sagte Aerosuisse-Präsident Paul Kurrus. «Ein Standort ist entweder erreichbar – oder er existiert nicht.» Und da ziehen für Kurrus dunkle Wolken auf: «In den kommenden Jahren ist der nachfrageorientierte Ausbau der Infrastruktur die grösste Herausforderung für den Luftfahrtstandort Schweiz.» Also: Ohne Ausbau der Flugplätze – insbesondere in Zürich – sind die Kapazitäten zu klein.
«Reden alle mit, wird es auch nicht einfacher»
Vor einem solchen Szenario fürchtet sich etwa der Volkswirtschaftsdirektor des Kantons Graubünden, Hansjörg Trachsel. Jene touristischen Gäste, die man im nahen Ausland wie Deutschland verliere, würden fast ganz durch die Gewinne in den Fernmärkten kompensiert, sagte Trachsel an einer Podiumsdiskussion. «Aus Bündner Sicht wird der Stellenwert des Flughafens Zürich immer grösser.»
Dass auch Graubünden deswegen in der Flughafenpolitik mitreden soll, fordert Trachsel aber nicht. «Jeder Kanton vertritt seine Interessen – reden alle mit, wird es auch nicht einfacher.» Die Grenze des Kantönligeistes sei erreicht, nur der Bund könne hier koordinieren, sagte Hansjörg Trachsel.
Auch Harry Hohmeister, der Chef der Airline Swiss, sprach sich für eine Kompetenzverschiebung an den Bund aus. Das heutige Verfahren sei überholt: Es werde global geflogen, aber lokal entschieden. Ob im Rahmen der Revision des Luftverkehrsgesetzes eine solche Änderung Eingang finden werde, ist gemäss Peter Müller, dem Direktor des Bundesamtes für Zivilluftfahrt (Bazl) offen. Vor den 300 Teilnehmern des Aerosuisse-Forums wies er jedoch darauf hin, dass eine solche Forderung im zuständigen eidgenössischen Parlament noch nicht aufgeworfen worden sei. «Aber wir werden sicher eine neue Auslegeordnung machen müssen.»
«Das Gejammer nervt mich»
Dass in der Branche immer über die schwierigen Rahmenbedingungen gejammert werde, «nervt mich langsam», sagte Peter Müller dann. Rahmenbedingungen gebe es immer – und es gelte, immer das Beste herauszuholen. «Das ist nur möglich, wenn alle kooperieren, und nicht einer nur für sich selber schaut.» Damit sprach Müller auch den Streit zwischen Swiss und Flughafen Zürich über eine Gebührenerhöhung an. «Der Flughafen darf nicht nur auf seinen Gewinn achten, er muss sich auch solidarisch zeigen», sagte Müller. Und ergänzte sogleich: «Diese Solidarität hat ihre Grenzen – die Airlines haben es zwar schwer, aber sie haben ihre Überkapazitäten selber geschaffen.»
Als Bazl-Direktor würde er es begrüssen, wenn sich die Beteiligten selber einigen könnten, sagte Müller. Aber es gebe anscheinend Situationen, in denen der Bund Schiedsrichter spielen müsse. Swiss-Chef Hohmeister relativierte die «verkrampfte Situation» jedoch. Der Gebührenstreit sei wirtschaftlich begründet. «In vielen anderen Bereichen arbeiten wir ja sehr gut mit dem Flughafen Zürich zusammen – und ziehen, etwa bei den Ausbauplänen, am selben Strick.»
Kommentar VFSN: Jetzt wissen wir, warum die Swiss letzte Woche Fr. 200\'000.- "gespendet" hat... Siehe: Swiss will 200\'000 Franken an Parteien verteilen (TA)