Der sehr profitable Flughafen Zürich will die Gebühren deutlich erhöhen. Nun treibt die Swiss Pläne voran, einen eigenen Terminal zu betreiben. Selten war das Verhältnis der beiden Parteien frostiger.
Birgit Voigt
Als kürzlich die Swiss ihr Sommerfest steigen liess, ging Flughafen-Chef Thomas Kern nicht hin. Deutlicher kann man dem wichtigsten Kunden nicht sagen, dass man verschnupft ist. Wenig zuvor hatte der Swiss-Chef in einem Interview eine Breitseite gegen den Flughafen abgefeuert. Das Verhältnis der beiden Männer hat sich seit Freitag kaum verbessert. Da scheiterte die letzte Verhandlungsrunde über eine Gebührenerhöhung des Flughafens zulasten von Airlines und Passagieren. Der Chef von Air Berlin Schweiz, Thomas Frischknecht, sagt, die Vertreter der Nutzer seien sich «einig in der Ablehnung» des Vorschlags des Flughafens gewesen: «Die Gebühren sind bereits heute zu hoch.»
Es lässt tief blicken, dass die Fluggesellschaften lieber auf das Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl) setzen, welches als nächste Instanz die Gebührenordnung nun verfügen muss, als auf einen Dialog mit ihrem wichtigsten Partner. Dabei ist den Akteuren bewusst, dass auch das Bazl aufgrund bestehender Gesetze vermutlich nicht um die Bewilligung einer Erhöhung herumkommt. Auf Anfrage schreibt das Amt, man werde ein Gesuch des Flughafens «punktuell plausibilisieren». Vergleiche mit anderen Airports seien nicht vorgesehen. «Damit der Flughafen auf dem Kapitalmarkt attraktiv bleibt, muss er in einem vernünftigen Mass die Verzinsungsansprüche der Kapitalgeber erfüllen. Die Verordnung über die Flughafengebühren legt hier Grenzen fest», so verdeutlicht das Amt den engen Rahmen, in dem es sich bewegt.
Der Flughafen wird morgen Montag an der Pressekonferenz zu den Halbjahreszahlen erneut seine Gründe für die anvisierte Erhöhung darlegen. Man habe viel investiert, liege bei den Preisen in Europa im Mittelfeld und habe die Passagiertaxen das letzte Mal 2003 angehoben, lautet der Tenor.
Die Swiss lässt keinen der Gründe gelten. Der Flughafen Zürich gehöre bei den Gebühren, die er selbst bestimmen kann, zu den teuersten in Europa. Die Erhöhung 2003 sei erfolgt, weil die Passagierzahlen nach dem Swissair-Grounding und dem mühsamen Start der Swiss einen Tiefpunkt mit 17 Millionen Gästen erreicht hätten. Ohne Erhöhung der Einnahmen wäre der Flughafen damals nicht über die Runden gekommen, heisst es bei Swiss.
Swiss will unabhängiger werden
Seither sind die Passagierzahlen wieder um 5 Millionen gestiegen – ohne Senkung der Taxen. Der Flughafen verdoppelte in den letzten fünf Jahren die Dividenden. Der Kanton Zürich mit 33,3% Anteil freut sich 2013 über 20 Mio. Fr. für die Staatskasse. Die Aktie bewegt sich Richtung Allzeithoch. Die Airlines gehen derweil durch ein Restrukturierungsprogramm nach dem nächsten, um ihren permanenten Ertragszerfall aufzufangen.
Wie weit kann die börsenkotierte Flughafen Zürich AG den Bogen noch spannen? Im Jahr 2000 wurde der Betrieb privatisiert. Nun mehren sich die Zweifel, ob es sinnvoll ist, einen Infrastruktur-Anbieter mit ähnlicher Bedeutung wie die SBB nach privatwirtschaftlichen und regionalpolitischen Gesichtspunkten zu führen.
2004 hält der Bund in seinem gültigen Bericht über die Luftfahrtpolitik der Schweiz fest, der Flughafen Zürich stelle eine «Schlüsselinfrastruktur» dar und müsse «Rahmenbedingungen bieten», «unter denen die Fluggesellschaften im Wettbewerb mit ihrer Konkurrenz auf anderen Flughäfen bestehen können.» Zentrales Anliegen sind direkte Flugverbindung für den Werkplatz Schweiz in globale Zentren. Nur aus diesem Grund hat der Bund 2002 den Start der Swiss mitfinanziert.
Der Streit um die Gebühren mündet deshalb schnell in der Frage, welche Interessen am Flughafen Zürich Vorrang haben sollen. In den kommenden Wochen beginnt die Vernehmlassung zum zweiten Teil der Revision des Luftfahrtgesetzes. Paul Kurrus, Präsident der Aerosuisse, des Dachverbands der Schweizerischen Luft- und Raumfahrt und darüber hinaus bei Swiss in Diensten, erklärt der «NZZ am Sonntag»: «Der Einfluss des Bundes am Flughafen Zürich muss gestärkt werden.» Diese Sicht werde in Bern von vielen geteilt. Uneins sei man noch über die Art und Weise, wie das geschehen könnte. Die Swiss überlegt in diesem Zusammenhang auch, wie sie ihre Abhängigkeit vom Flughafen Zürich reduzieren kann. Eine Idee ist, dem Flughafen die vom Bund vergebene Betriebskonzession streitig zu machen. Sowohl das Bazl wie auch die Flughafen-Sprecherin bestätigen, Kenntnis von diesen Überlegungen zu haben. Die Swiss-Sprecherin sagt dazu: «Wir haben das bei einem Ideenaustausch als Option eingebracht.»
Swiss-Chef Harry Hohmeister kann sich offenbar vorstellen, einen eigenen Terminal am Flughafen Zürich zu betreiben – mit allen Kosten, aber auch mit allen Erträgen, die damit anfallen. Vorbilder findet er bei den US-Flughäfen. Die Vision könnte bestenfalls mittelfristig umgesetzt werden und nur dann, wenn die bestehenden Gesetze im Zuge der Revision angepasst würden. Derzeit verfügt die Flughafen AG über eine Betriebskonzession für knapp 40 Jahre. Flughafen-Präsident Andreas Schmid war nicht erreichbar für eine Stellungnahme.
Easy Jet bleibt in Genf und Basel
Vordergründig wird weiter um die Gebühren gestritten. Die Verlagerung des Entscheides zum Bazl bietet Preisüberwacher Stefan Meierhans Gelegenheit zum Auftritt. Er will laut Pressebericht eine «verschärfte Empfehlung» in Richtung Gebührensenkung abgeben. Meierhans hatte vor kurzem schon gefordert, mehr Billig-Airlines nach Zürich zu bringen. Der Chef von Easy Jet für Nordeuropa, Thomas Haagensen, erteilt dem Ausbau in Zürich vorerst eine diplomatische Absage: «Zürich ist ein interessantes Ziel. Aber die Gebühren des Flughafens Zürich sind mit die höchsten in Europa, und das ist für uns einer der Gründe, weshalb wir vorläufig lieber unsere Standorte Basel und Genf weiter stärken und ab Zürich nur Flüge nach London anbieten.»