Unabhängig, wie der Streit um den Fluglärm mit Deutschland ausgeht: Die Kapazität des grössten Schweizer Flughafens ist endlich, und Überlaufbecken existieren nicht. Möglich wäre allenfalls eine teilweise Verlagerung nach Dübendorf.
Beat Bumbacher
«Hier wurde ein Werk geschaffen, das auf unabsehbare Zeit hinaus den Anforderungen des Verkehrs genügen wird.» Solches war in der NZZ kurz vor Eröffnung des neuen Flughafens bei Kloten im Jahre 1948 zu lesen. Der frohgemute Satz war schon nach wenigen Jahren falsifiziert. Dass grosse Flughäfen überall auf der Welt naturgemäss nichts anderes als grosse Dauerbaustellen sind, die nie ganz fertig gebaut sind, ist längst eine Binsenwahrheit.
Maximal 350 000 Bewegungen
Das galt auch während Jahrzehnten für den Flughafen Zürich als wichtigstes aviatisches Tor der Schweiz zur Welt. Aber selbst unter der nicht selbstverständlichen Voraussetzung, dass sämtliche noch im Planungsstadium befindlichen Ausbauschritte umgesetzt und keine zusätzlichen Beschränkungen bei An- und Abflugrouten verfügt werden, ist absehbar, dass das Limit für die möglichen Flugbewegungen relativ bald erreicht sein wird. Allein das Layout des Pistensystems setzt der möglichen Anzahl Starts und Landungen eine Grenze.
Dieses Ende der Fahnenstange in Kloten dürfte zwischen 2020 und 2030 erreicht werden. Heute liegt das Passagieraufkommen in Zürich schon bei weit über 20 Millionen pro Jahr. Die Prognose des Bundesamtes für Zivilluftfahrt (Bazl) geht für 2020 von rund 30 Millionen und für 2030 sogar von 40 Millionen Passagieren in Zürich aus. Was die Flugbewegungen pro Jahr angeht, sehen Fachleute bei 350 000 Flugbewegungen jährlich eine oberste Grenze. 2012 landeten bzw. starteten in Zürich rund 270 000 Flugzeuge.
Eine Möglichkeit, die hierzulande stärker als anderswo steigende Nachfrage nach Flugreisen zu befriedigen, wäre rein rechnerisch die Steigerung der Kapazität durch den Einsatz grösserer Flugzeuge. Genau dies lässt sich momentan statistisch auch feststellen: Während die Passagierzahlen steigen, geht die Anzahl Flugbewegungen sogar leicht zurück. Längerfristig lässt sich dadurch das Erreichen der Grenze aber zeitlich nur etwas hinausschieben. Einzig die Errichtung eines Systems mit parallelen Pisten – wie auf anderen Grossflughäfen üblich – könnte die Leistungsfähigkeit des Flughafens signifikant steigern. Doch eine solche Lösung ist in Zürich aus politischen Gründen längst definitiv vom Tisch und somit keine realistische Option mehr. Die Fläche des Flughafenareals dürfte schlicht nicht mehr erweiterbar sein.
Basel mangelhaft vernetzt
Wie aber soll der erwartete Ansturm dereinst bewältigt werden? Oder andersherum gefragt: Welche Ausweichmöglichkeiten könnten zur Verfügung stehen, wenn in Zürich zu Stosszeiten kein Slot mehr frei ist?
Damit haben sich auch die Autoren der Ende 2012 publizierten Studie «Monitoring der Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Luftverkehrs» beschäftigt. Viel Mut können sie nicht machen: Einzig in Basel-Mülhausen existieren noch Kapazitätsreserven, während aus Sicht der Region Zürich und der Ostschweiz der Flughafen Genf geografisch zu weit entfernt ist und mit seiner einzigen Piste ebenfalls mit Engpässen kämpft.
Laienhaft betrachtet stünde also Basel-Mülhausen als «Überlaufbecken» im Vordergrund, doch die Experten winken ab: Die Kapazitätsprobleme in Zürich ergeben sich vor allem aus seiner Hub-Funktion, dem Umsteigeverkehr auf europäischen Flügen und auf Langstrecken. Eine Verlegung von Flugbewegungen nach Basel würde aber genau diese Hub-Funktion nicht mehr ermöglichen und wäre somit kommerziell nicht sinnvoll. Einzig eine Verlegung von einzelnen Segmenten – zum Beispiel von reinen Frachtflügen oder des Ferienverkehrs – wäre denkbar.
Auch gegen Letzteres spricht die immer noch mangelnde Vernetzung der beiden Flughäfen. Denn solange der Bahnanschluss von Basel-Mülhausen nicht realisiert ist und eine schnelle Eisenbahnachse zwischen beiden Flughäfen Wunschdenken bleibt, bleiben solche Gedanken Theorie. Ganz abgesehen davon, dass die Basler Regierung schon längst ihre Ablehnung einer Übernahme von Flugverkehr aus Zürich und der damit verbundenen zusätzlichen Immissionen signalisiert hat.
Dübendorf für die Kleinen
Weitere Varianten einer Auslagerung versprechen ebenfalls keine ins Gewicht fallende Entlastung Zürichs. Regionalflugplätze, etwa Bern, spielen ohnehin in einer anderen Liga. Und absehbar ist, dass in der Schweiz kein neuer internationaler Flughafen mehr auf der grünen Wiese gebaut wird – selbst wenn der Boden im Mittelland dazu nicht zu knapp wäre, würde die toxische Wirkung des Begriffs Fluglärm jeden Gedanken daran von vorneherein verbieten.
Eine realistische Entlastungsmöglichkeit bestünde allenfalls durch den bereits bestehenden anderen Flugplatz in der Region Zürich in Dübendorf. Dorthin könnte zumindest ein Teil des aviatischen Individualverkehrs verlagert werden, also die General Aviation und die Kleinfliegerei nach Sichtflugregeln. Mit einer solchen Aufteilung könnte die Komplexität des Luftverkehrs in Kloten reduziert und dem Linienverkehr mehr Raum verschafft werden. Doch eine vollständige Verlegung dieses Segments nach Dübendorf wäre laut Bazl nicht machbar.
Unter dem Strich bleibt die nüchterne Erkenntnis, dass die Anbindung der Schweiz an den internationalen Flugverkehr in etwa zehn Jahren an Kapazitätsgrenzen stossen wird. Anders als in Paris, London oder München – ganz zu schweigen von den Hubs am Persischen Golf – lassen sich weitere grosse Ausbauschritte in der Flughafeninfrastruktur nicht mehr realisieren.