Dass Bundesrätin Doris LeuthardSüdstarts geradeaus bei Nebel und Bise prioritär ermöglichen will, begünstigt im Süden Verschwörungstheorien. Harsche Kritik üben aber auch Kantonsräte von links bis rechts.
Andreas Schürer
Das Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl) wertet es als Nullmeldung, die Südschneiser als Katastrophe: Voraussichtlich am nächsten Mittwoch wird Verkehrsministerin Doris Leuthard dem Bundesrat beantragen, den Südstart geradeaus bei Nebel und Bise zum Abbau von Verspätungen prioritär zu ermöglichen. Dieses Verfahren soll als Option bereits in das erste Objektblatt des Sachplans Infrastruktur Luftfahrt (SIL) zum Flughafen Zürich einfliessen. Der zweite Teil, in dem die langfristig zulässigen Flugverfahren definiert werden, ist wegen des Konflikts mit Deutschland blockiert.
Für das Bazl ist Aufregung über die neuen Pläne fehl am Platz. Im SIL 1 werde nur der Ist-Zustand gesichert, die Südstarts geradeaus seien wie im SIL-Entwurf vorgesehen nur als klar definiertes Ausnahmeverfahren enthalten, das pro Jahr nicht mehr als tausendmal angewendet werden müsse. Der Verein Flugschneise Süd – Nein warnt dagegen vor einem Dammbruch: Seien die Südstarts geradeaus einmal im SIL, würden sie mehr und mehr angewendet und würden schliesslich zum Hauptstartverfahren.
Kritik auch an Etappierung
So oder so – die Verwirrung ist gross, auch weil das Bazl wiederholt äusserte, dass im SIL 1 bodenseitige Massnahmen wie Standplätze oder Konzepte zum Schnellabrollen vorgezogen werden sollen. Dass nun doch auch ein neues Startverfahren im SIL 1 erlaubt werden soll, überrascht, auch wenn es in der «Light-Version» mit Auflagen versehen ist und der Flughafen die Umsetzung im Betriebsreglement erst noch beantragen muss. Das Vorgehen legt den Verdacht nahe, dass Bundesrätin Doris Leuthard taktiert: Sie lässt in Zürich einen wohldosierten Knaller ab – und schaut, was passiert.
Aus dem Zürcher Kantonsrat kann vermeldet werden: Die Kritik fällt harsch aus. Für SVP-Kantonsrat Lorenz Habicher ist es schlicht «eine Dummheit», die Südstarts geradeaus bei Nebel und Bise in den SIL 1 zu packen. Es sei komplett falsch, über dichtbesiedeltem Gebiet zu starten und zu landen. Eine Etappierung des SIL sei grundsätzlich problematisch, da ohne Gesamtschau nur unbestrittene Massnahmen vorgezogen werden könnten – und solche gebe es kaum; auch Schnellabrollwege führten zum Beispiel mitten in die Kapazitätsdiskussion.
Für den grünen Kantonsrat Robert Brunner bedeutet der Plan Leuthards eine unschöne Salamitaktik. Im sensiblen SIL-Prozess sei es nicht opportun, während des Spiels die Regeln zu ändern. Genehmige der Bundesrat das Vorhaben, müssten die Auswirkungen auf den Zürcher Fluglärmindex geklärt werden. SP-Kantonsrat Ruedi Lais wirft Leuthard vor, sie wolle das Terrain für Pistenverlängerungen ebnen: «Nun wird dem Süden mit Mehrbelastungen gedroht – damit er dem Ausbau zustimmt.» Fairer wäre es laut Lais, den SIL baldmöglichst als Ganzes zu verabschieden: Nur dies schaffe Rechtssicherheit für die kantonale Raumplanung, die dringend nötig sei, zumal es um Milliardenwerte in der Flughafenregion gehe.
Ärger über den Süden
Auch zurückhaltend positive Stimmen gibt es aber zu Leuthards Plänen. Die FDP-Kantonsrätin Gabriela Winkler kann ihnen, sofern sie in der beschriebenen Form durchkommen, «mit einem mulmigen Gefühl» zustimmen. Störend sei, dass es in der Flughafenplanung an Transparenz mangle: «Man sagt nie alles.» Ein Ärger sei aber auch die Haltung des Südens, der sich als flugverkehrsfreie Zone sehe.