Südbaden profitiert stark vom Metropolitanraum Zürich: Dies zeigt eine Studie der Universität St. Gallen. Der Auftraggeber, das Komitee Weltoffenes Zürich, will damit süddeutschen Hardlinern im Fluglärmstreit den Wind aus den Segeln nehmen.
Andreas Schürer
Die Süddeutschen und die Nordschweizer sind geschäftstüchtig, und sie wissen voneinander zu profitieren. Das ist bekannt – eine neue Studie der Universität St. Gallen, die vom Komitee Weltoffenes Zürich in Auftrag gegeben wurde, untermauert den Befund nun mit Zahlen. Die beiden Autoren der am Montag in Zürich vorgestellten Studie, Roland Scherer und Andreas Wittmer, stellen eine erhebliche sektor- und branchenübergreifende, grenzüberschreitende Verflechtung von Unternehmen fest. Sowohl in Südbaden als auch in der Nordschweiz sind laut einer für die Studie durchgeführten Befragung je rund die Hälfte der Unternehmen grenzüberschreitend tätig. Je rund ein Drittel der Firmen verfügt jenseits der Grenze über eine Niederlassung.
Hoher Einkommenstransfer
Stark ins Gewicht fallen aus südbadischer Sicht die Grenzgänger. In den Landkreisen Waldshut und Lörrach liegt ihr Anteil an allen Erwerbstätigen bei 18 beziehungsweise 20 Prozent, im Landkreis Konstanz beträgt dieser Wert 6 Prozent. Gesamthaft resultiert durch die von den Grenzgängern im Metropolitanraum Zürich generierte Lohnsumme ein Einkommenstransfer von mindestens 1,2 Milliarden Franken im Jahr. Davon fliessen laut der Studie rund 440 Millionen Franken in den Landkreis Waldshut und 420 Millionen Franken in den Landkreis Konstanz. Der Metropolitanraum Zürich wird in dieser Berechnung als Fläche der Gebiete definiert, die innerhalb einer guten Stunde ab dem Flughafen oder dem Hauptbahnhof Zürich erreicht werden können.
Zürichs Sogwirkung
Gestützt auf diese Definition führen Scherer und Wittmer auch aus, dass sich südbadische Landkreise nach Zürich orientieren, wenn sie interkontinental fliegen wollen. Der nächstgelegene Metropolitanraum mit einem entsprechenden Flughafen, München, liegt bedeutend weiter entfernt. Härter ist die Konkurrenz für Zürich im Bereich der Kontinentalflüge. Hier kommen für südbadische Reisende auch die Flughäfen Basel, Strassburg und Stuttgart in Frage; Zürich verfügt aber auch in diesem Bereich über ein attraktives Angebot und, nicht zuletzt auch dank guten S-Bahn-Verbindungen, über eine gewisse Sogwirkung.
Hervorgehoben wird von den St. Gallern Forschern Wittmer und Scherer auch der Effekt des Einkaufstourismus. Auf etwa 2,5 Milliarden Franken beziffern sie den jährlichen Finanztransfer aus der Schweiz in die Grenzregion in Südbaden.
Aufpasser aus Deutschland
Wohl um den Vorwurf der Parteilichkeit zu entkräften, fungierte als externer Begleiter der Studie ein Deutscher, Professor Alexander Eisenkopf von der Zeppelin-Universität Friedrichshafen. Er hält die Resultate der Studie für valide, auch wenn es gewisse Aussagen zu relativieren gelte. So seien die Grenzgänger auch ein Verlust für Deutschland, da auf diese Weise viele gut qualifizierte Arbeitskräfte verloren gingen.
Zu den grossen Effekten des Einkaufstourismus sei hinzufügen, dass sich diese wieder verringern könnten, wenn sich der starke Franken im Vergleich zum Euro wieder abschwäche. Insgesamt sei die Studie aber aussagekräftig, da sie theoretisch sehr fundiert sei und sich auf den aus den grenzüberschreitenden Tätigkeiten resultierenden volkswirtschaftlichen Nutzen konzentriere, der statistisch nachweisbar sei, und nicht auf hoch gerechnete indirekte Effekte.
Fluglärmstreit versachlichen
Selbstredend ist, dass das Komitee Weltoffenes Zürich aus der Studie Schlüsse zieht für die Fluglärm-Diskussion. Das Timing der Präsentation war jedenfalls perfekt: Erst am Donnerstag hatte der Nationalrat als Zweitrat das Luftverkehrsabkommen mit Deutschland genehmigt. In Deutschland ist das Ratifizierungsverfahren derweil blockiert.
Martin Naville, Präsident des Komitees Pro Flughafen, sagte: «Wir profitieren sehr stark voneinander. Wir sollten auch grenzüberschreitende Probleme partnerschaftlich lösen.» Und der Geschäftsführer Thomas Koller meinte: «Die wirtschaftliche Kooperation funktioniert hervorragend. Südbaden sollte auch die Leistung schätzen, die Zürich für seine internationale Anbindung erbringt.»