Andreas Schürer
Seit Monaten fachsimpeln bürgerliche Politiker, wie sie dem Zürcher Kantonsrat sein faktisches Vetorecht bezüglich Pistenausbauten am Flughafen Zürich entreissen können. Nun ist die Katze aus dem Sack: Richten soll es eine parlamentarische Initiative. Diese soll demnächst eingereicht werden – und sie hat es in sich. Sie verlangt nämlich nichts anderes als eine Spezialauslegung des fakultativen Referendums, eine eigentliche «Lex Flughafen». Konkret: Im Flughafengesetz soll neu verankert werden, dass alle Beschlüsse des Kantonsrates bezüglich Pistenverlängerungen dem fakultativen Referendum unterstehen – also auch ablehnende.
Der Hintergrund ist einfach: Für den Flughafen und die Mehrheit der Bürgerlichen ist klar, dass die Pisten 28 und 32 dringend verlängert werden müssen, um im Falle weiterer Beschränkungen, wie sie im Staatsvertrag mit Deutschland vorgesehen sind, keine Kapazitätseinbussen zu erleiden und um die Sicherheit zu verbessern. Die Mehrheit im Kantonsrat befürwortete allerdings erst 2009 das Pistenausbau-Moratorium – und das Volk pfiff sie dann wieder zurück. Das wäre nicht mehr möglich, sollte der Kantonsrat ein konkretes Ausbaugesuch ablehnen (NZZ 4. 7. 12). Referendumsfähig wäre nur ein zustimmender Beschluss, wie aus dem Flughafengesetz hervorgeht.
Initiative als Rückfallposition
Das Komitee Pro Flughafen hatte schon letzten Sommer Gegenmassnahmen angekündigt – in Form einer Volksinitiative, die aktiv den Pistenausbau einfordert. Dieses Szenario ist nun allerdings in den Hintergrund getreten, wie Christian Bretscher, Geschäftsführer des Komitees, auf Nachfrage sagt. Sozusagen als Rückfallposition hält Bretscher die Pläne aber noch in der Hinterhand. Er verweist darauf, dass in der neuen Kantonsverfassung ein Recht verankert sei, das zwar noch nie gebraucht worden sei, das aber interessant sei: die Möglichkeit einer Initiative auf Erlass, Aufhebung oder Änderung eines Kantonsratsbeschlusses. Bretscher sagt: «Es wäre ein Pilotfall, aber dieses Instrument würden wir verwenden, wenn es sein muss.»
Der bessere Weg ist für Bretscher aber der über eine parlamentarische Initiative. Im Köcher hat diese, wie er bestätigt, Martin Arnold, SVP-Kantonsrat und Geschäftsführer des kantonalen Gewerbeverbands. Dieser Tage legt er seinen Vorstoss «zur Stärkung der Volksrechte in Flughafenfragen» der Fraktion vor. Für Arnold ist es zwingend, dass alle gewichtigen Entscheidungen über die Entwicklung des Flughafens vors Volk kommen, zumal dieses in der Vergangenheit wiederholt anders entschieden habe als das Parlament. Auf lange Sicht könne die Akzeptanz des Flughafens nur gesichert werden, wenn alle Entscheide direktdemokratisch legitimiert seien. Es dränge sich deshalb auf, das Flughafengesetz entsprechend zu ergänzen.
Die Betroffenen überstimmen
Für den grünen Kantonsrat Robert Brunner ist die hehre Zielsetzung in Arnolds Vorstoss nur vorgeschoben. Es gehe allein darum, dass in einer kantonalen Volksabstimmung die Betroffenen mit den Stimmen des Südens überstimmt werden könnten. Ein solches Demokratieverständnis sei fragwürdig, sagt Brunner. Wenn es Arnold ernst sei mit der direktdemokratischen Legitimierung der Flughafenentwicklung, müsse er die Betroffenen zu Beteiligten machen – und die Rechte der Bevölkerung innerhalb der Abgrenzungslinie stärken. Ärgerlich sei, dass nun über die Hintertüre Versprechungen aus der Zeit vor der Privatisierung rückgängig gemacht werden sollten. Diese sei nämlich nur mehrheitsfähig gewesen, weil im Flughafengesetz das Vetorecht des Parlaments eingebaut worden sei.
Das negative Referendum
Nicht amüsiert ist auch der SP-Kantonsrat Ruedi Lais. Die parlamentarische Initiative Martin Arnolds hält er für eine «merkwürdige Sache», wenn nicht gar für ungültig. Der Grund für die Zweifel an der Tauglichkeit des Vorstosses: «Hier wird offensichtlich versucht, die parlamentarische Demokratie so umzugestalten, dass am Schluss ein positives Resultat zum geplanten Pistenausbau herauskommt.» Es liege aber in der Natur von Referenden, dass sie sich gegen zustimmende Beschlüsse richten könnten, nicht aber gegen ablehnende. Das Referendumsrecht so zurechtzubiegen, nur um den Kantonsrat bezüglich Pistenausbauten zu entmachten, sei gelinde gesagt abenteuerlich, findet Lais.
Für diese Kritik hat Arnold Verständnis – beirren lässt er sich trotzdem nicht. Die Sonderregelung, die er als «negatives Referendum» bezeichnet, sei zwar unschön, aber als bewusste Ausnahme gerechtfertigt. Der Flughafen sei eine zentrale Infrastruktur, die alle betreffe; folglich müsse das Volk bei weitreichenden Entscheidungen in jedem Fall mitreden können. Er sei jedenfalls gespannt, wie die Ratslinke argumentiere, wenn sie sich gegen einen Ausbau von Volksrechten stemme.
Einen ganz anderen Ansatz verfolgt Dieter Neupert, Vizepräsident des Dachverbands Aerosuisse. Auch er kritisiert die Regelung, dass der Kantonsrat den Pistenausbau blockieren kann. Korrigiert werden könne dies aber auch mit einer Kompetenzverschiebung nach Bern. Neupert sagt: «Nationale Infrastrukturprojekte sollten, sofern sie im Landesinteresse sind, auf Bundesebene geregelt werden.»