Von Cornelia Krause
Kloten Der Blick aus dem Fenster lenkt Flughafen-Zürich-Chef Thomas Kern kaum von seinen wichtigsten Projekten ab. Im Gegenteil: Die Glasfront seines Büros geht auf die Pisten hinaus, für deren Ausbau er sich stark-macht. Im Hintergrund sieht der 59-Jährige den Butzenbühl - jene Erhebung, auf dem der Flughafen das grösste Immobilienprojekt der Schweiz realisieren will.
Viele Unternehmen legen dieser Tage Quartalszahlen vor. Wie hat der Flughafen Zürich von Januar bis März gewirtschaftet?
Die Entwicklung, die sich Ende des Jahres abgezeichnet hat, setzt sich fort. Im ersten Quartal waren die Passagierzahlen um 0,5 Prozent rückläufig, die Bewegungen der Linien- und Charterflüge gar um 4,8 Prozent. Die Umsätze aus dem Kommerzgeschäft, also Retail, Restauration und Duty-free, sind dagegen um 3,9 Prozent gestiegen - und das ohne den Schalttag von 2012. Beim Jahresgewinn werden wir voraussichtlich leicht zulegen, wenn sich keine Sondereffekte einstellen.
Der Franken ist weiterhin stark, die Passagierzahlen schwinden. Warum wird noch eingekauft?
Wir haben das Gastronomie- und Retailangebot auf der Landseite, also vor der Sicherheitskontrolle, stark aufgefrischt, mit dem erneuerten Foodcourt und der Eröffnung des Restaurants Upperdeck. Dann gab es neue Läden wie H & M und Grieder. Auf der Luftseite sind die neuen Duty-free-Läden Treiber des Erfolgs, und wir eröffneten einen Marché und das Sprüngli-Café. Das steigert Attraktivität und Umsätze.
Was kommt 2013 Neues?
Im Landbereich wird ein Laden der US-Dessousmarke Victorias Secret hinzukommen. Wann genau, steht aber noch nicht fest. Dann eröffnen wir im luftseitigen Bereich eine Art Internet-Café zusammen mit dem NZZ-Verlag und ein Chalet Suisse Restaurant. Das wird ein modernes Restaurant, wo man typische Schweizer Gerichte essen kann.
Das ganze Jahr Fondue, nun auch am Flughafen?
Naja, vielleicht nicht das ganze Jahr Fondue, aber zum Beispiel eine richtig gute Zunftbratwurst.
Wie laufen die Duty-free-Geschäfte im Ankunftsbereich?
Sie wachsen auf Monatsbasis zweistellig und somit sehr gut. Die Besucher mussten sich erst daran gewöhnen. Wir haben das ursprünglich anvisierte Ziel noch nicht erreicht, sind aber auf gutem Weg.
Wie erklären Sie sich den Rückgang bei den Passagierzahlen?
Das ist ein europäisches Phänomen. Die Airline-Industrie auch hierzulande ist unter Druck. Für den Flughafen Zürich rechnen wir 2013 aber noch immer mit einem leichten Passagierplus von bis zu einem Prozent. Die Flughäfen im Nahen Osten bauen dagegen stark aus.
Befürchten Sie, dass die europäischen Flughäfen schon denen in Abu Dhabi und Dubai zum Opfer fallen?
Nein, so schlimm ist es noch nicht. Wir sehen einfach die konjunkturelle Abkühlung in Europa und eine Zurückhaltung, die sich auch auf Geschäfts- und Ferienreisen niederschlägt.
Die Fracht gilt als wichtiger Konjunktur-Frühindikator. Was sehen Sie an dieser Front?
Die Fracht ging im ersten Quartal um 3,3 Prozent zurück. Dabei traf es den Export mit einem Minus von 6,3 Prozent stärker als den Import mit minus 2,6 Prozent. Das deutet auf eine schwierige Wirtschaftslage in der Schweiz hin. Wir sehen noch immer den Effekt des starken Frankens. Die Passagierentwicklung folgt meist derjenigen der Fracht. Insofern sind wir mit unserer moderaten Wachstumsprognose schon fast optimistisch.
Sie verhandeln mit Swiss und anderen Airlines über Flughafengebühren. Die Swiss fordert Senkungen. Sie wollen, hört man, 25 Prozent höhere Gebühren. Ist das nicht zu heftig?
Über den Inhalt der Verhandlungen äussern wir uns nicht, selbst wenn andere Parteien Zahlen in den Ring werfen. Wir sind im europäischen Vergleich im Mittelfeld, trotz besserer Leistung und höheren Löhnen. Zudem sind die Gebühren am Flughafen Zürich trotz steigender Kosten seit mehreren Jahren nicht mehr erhöht worden; die Landegebühr beispielsweise seit 1984 nicht mehr.
Swiss-Chef Harry Hohmeister sagt, der Flughafen sei zu teuer.
Es mag sein, dass er das so sieht, das ist aber nicht so. Sie können sicher sein, dass wir auch nach diesen Verhandlungen noch wettbewerbsfähig sein werden und den Airlines weiterhin ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis bieten. Das ist auch in unserem Interesse.
Lufthansa und Swiss müssen kräftig sparen. Der Flughafen, der floriert, will mehr Geld. Wie ist das zu vermitteln?
Wir sind eine gewinnorientierte börsenkotierte Gesellschaft. Deswegen müssen wir unseren Geldgebern eine gewisse Verzinsung ihres Kapitals bieten. Das ist unsere Anforderung an die Rentabilität. Übrigens stellen sich bei der Swiss-Mutter Lufthansa gemäss deren Geschäftsbericht exakt dieselben Fragen nach Rentabilität. Zudem investieren wir pro Jahr 200 bis 300 Millionen Franken, die wir refinanzieren müssen, und zwar ohne öffentliche Gelder.
Hohmeister beklagt eben genau die Tatsache, dass der Flughafen eine börsenkotierte Firma ist.
Soll denn der Steuerzahler für Investitionen in den Flugbetrieb geradestehen, weil die Gebühren möglichst niedrig sein müssen? Die Privatisierung war der Wille des Zürcher Stimmvolks, der Zürcher Regierung und des Bundes, also ein demokratischer Entscheid. Das ist, wie wenn ich sagen würde, «schade, dass die Schweiz eine Demokratie ist, denn wenn sie es nicht wäre, könnten wir den Flughafen ausbauen, ohne irgendwen zu fragen.» So was nützt niemandem. Gott sei Dank ist die Schweiz eine Demokratie.
Punkto Ausbau spielt ja auch der Fluglärmstreit mit Deutschland eine Rolle. Das Nachbarland will Neuverhandlungen.
Mit Verlaub, die Interpretation dieser Situation ist sehr speziell, da zwei Minister einen Staatsvertrag unterzeichnet haben und der Ständerat den Vertrag bereits zur Ratifizierung empfohlen hat. Ich bin zuversichtlich, dass der Nationalrat in der Sommersession nachziehen wird.
Wie wird der Streit ausgehen?
Der Vertrag brächte den Deutschen 16,5 Stunden mehr Ruhezeit pro Woche. Die Schweizer Seite müsste hingegen die zusätzliche Belastung von 25\'000 Umwegflügen pro Jahr hinnehmen. Ich bin noch immer zuversichtlich, dass man unseren nördlichen Nachbarn vermitteln kann, dass die Vorteile auf ihrer Seite liegen. In jedem Fall muss die Schweiz hart bleiben und darf sich nicht auf Nachverhandlungen einlassen. Eine Ratifizierung im Nationalrat wäre wünschenswert. Eine Sistierung würde den Druck zu Nachverhandlungen erhöhen. Eine Ablehnung würde der deutschen Seite wohl als Einladung zur einseitigen Verschärfung dienen. Allenfalls braucht es Präzisierungen oder Erklärungen.
Wie verhält sich der Flughafen in der Zwischenzeit?
Wir haben einen Planungsauftrag zur Pistenverlängerung vergeben, um im Fall einer Ratifizierung die Vorgaben des Staatsvertrages noch bis 2020 erfüllen zu können. Harzt die Ratifizierung, ist die Entwicklung des Sachplans Infrastruktur (SIL) und die Volksabstimmung zu den Pisten-ausbauten aufgeschoben.
Wann wird es eng, um die Vorgaben des Staatsvertrages zu erfüllen?
Kommt die Ratifizierung nicht 2014, wird es eng. Denn die technische und politische Planung für eine Veränderung des Pistensystems ist sehr aufwändig.
Auch ein weiteres Projekt scheint zu stagnieren: Der Bau des Immobilienprojektes «The Circle». Sie sagen seit zwei Jahren, es fehle ein Ankermieter, Investitionssicherheit und Finanzierung. Kommen Sie nicht vom Fleck?
Heute können wir das Problem darauf reduzieren, dass ein grosser Ankermieter fehlt. Die Investitionssicherheit ist praktisch vorhanden, die Finanzierungsfrage ergibt sich aus der Vorvermietungsquote. Im Grunde ist es nur der fehlende Grossmieter, der uns am nächsten Schritt hindert.
Wie hoch muss die Vorvermietungsquote sein?
Etwa 50 Prozent. Mit dem Betreiber des Hotels und Konferenzzentrums, Hyatt, haben wir rund 25 Prozent.
Steht ein Abschluss bevor?
Es gibt eine Liste von Firmen, mit denen wir in Kontakt sind, aber ich kann nicht sagen, ob und wann es zum Abschluss kommt. Die Zahl der grossen Schweizer Firmen, die einen neuen Hauptsitz suchen, ist begrenzt. Ausländische Firmen planen kurzfristiger, ein bis zwei Jahre zum voraus.
Was passiert, wenn Sie keinen Ankermieter in diesem Jahr finden?
Dann wäre die Teileröffnung 2017 nicht mehr zu halten. Aber das Projekt wäre nicht gefährdet. Das ist das grösste Immobilienprojekt der Schweiz, so etwas braucht Vorlauf. Der gute Standort bleibt, der Hügel gehört dem Flughafen, wir haben ein bewilligtes Bauprojekt. Bei so vielen guten Voraussetzungen kann man auch noch ein Jahr warten.
Angesichts der Vorstösse wie etwa der 1:12-Initiative befürchten Firmen, dass die Schweiz für sie unattraktiv wird. Erschwert das Ihre Suche?
Ich glaube nicht, dass die Schweiz unattraktiver wird. Es gibt ja nicht nur Salärfragen in der Schweiz, sondern etwa auch Steuerthemen, dort sind wir gut positioniert, dazu gibt es die Frage der Sicherheit für die Familien von Managern, den Wohnraum, die internationalen Schulen. Sicher würde es durch 1:12 in einem Bereich sehr schwierig. aber schauen Sie mal: Hier wird nicht gestreikt! Überall sonst wird gestreikt, aber hier gibt es keine grossen Demonstrationen, kein Chaos. Die Schweiz wird als Standort attraktiv bleiben.