Politik mit der Angst (TA)

Publiziert von VFSNinfo am
Analyse Einmal mehr sorgten diese Woche angebliche Sicherheitsmängel am Flughafen für Schlagzeilen. Den Bürgerorganisationen kommt das entgegen.

Von Liliane Minor

Am Osterwochenende schrieb die «SonntagsZeitung», die Südanflüge entsprächen nicht den Empfehlungen der Internationalen ZivilluftfahrtOrganisation (Icao; TA vom 2. 4.). Man braucht nicht besonders fantasievoll zu sein, um zu ahnen, woher die «SonntagsZeitung» ihre Informationen hatte.

Zwei Tage später verschickte der Bürgerprotest Fluglärm Ost einen Newsletter, in dem er daran erinnerte, dass der Ostanflug die Empfehlungen auch verletze, und zwar noch viel gravierender. Beides sagt mehr über die Bürgerorganisationen namentlich im Osten und im Süden aus, als diesen lieb sein dürfte.

Falsch ist die Feststellung zwar nicht, dass sowohl Süd- als auch Ostanflug Empfehlungen der Icao verletzen. Nur: Daraus lassen sich keine Rückschlüsse auf die Sicherheit ziehen. Die Empfehlungen, welche der Flughafen nicht einhält, sind nicht zwingend. Die Icao lässt Abweichungen zu, sofern ein Flughafen belegen kann, dass die Sicherheit gewährleistet ist.

Nur die halbe Wahrheit

Was Zürich macht, ist auch keine Ausnahme, sondern die Regel. Kaum ein Flughafen kann alle Icao-Empfehlungen einhalten. Es gibt sogar Länder, in denen die – eigentlich verbindlichen – Icao-Normen nicht gelten. Auch das ist zulässig. Die Schweiz gehört übrigens nicht dazu.

Diese Information verschweigen die Bürgerorganisationen wohlweislich. Ebenso, dass alle Anflüge auf Zürich von der Icao für sicher befunden worden sind. Nun verlangt niemand, dass die Fluglärmkritiker sich selbst zum Sprachrohr der Flughafenverantwortlichen machen. Und es ist ihnen auch unbenommen, an den behördlichen Beteuerungen, die Anflüge seien sicher, zu zweifeln – ja, es gehört sogar zu den Aufgaben einer Bürgerorganisation, Zweifel zu formulieren und unsaubere Praktiken aufzudecken. Immerhin gibt sogar der Flughafen selbst zu, dass die Sicherheitsmarge in Zürich nicht so gross sei wie erwünscht.

Allerdings erhärtet sich der Eindruck immer mehr, dass es diesen Organisationen ganz gelegen kommt, wenn sich Zweifel an der Sicherheit des Flughafens schüren lassen. Gegenargumente bleiben ungehört. Es wird ungeniert mit Begriffen wie «Absturzkorridor» hantiert und mit falsch verstandenen Wahrscheinlichkeiten jongliert.

Das allein ist schon abstossend. Was die Sache aber noch unappetitlicher macht, ist, dass viele Fluglärmgegner mit ihrem Ruf nach mehr Sicherheit keineswegs konsequent sind. So prangern sie beispielsweise lauthals die Tatsache an, dass in Zürich öfter mit Rückenwind (notabene im zulässigen Bereich) gelandet wird als anderswo.

Aber sie wehren sich mit Händen und Füssen gegen eine flexiblere Pistennutzung und eine Entflechtung der Anund Abflugrouten. Sie lamentieren über Anflüge, die nicht alle Empfehlungen erfüllen. Und verlangen gleichzeitig einen gekrümmten Nordanflug, der viel komplexer zu fliegen ist und die Empfehlungen garantiert auch nicht einhält.

Zynische Berechnungen

Mit echter Sorge um die Sicherheit hat das wenig zu tun. Das gilt auch für jene pseudowissenschaftlichen vergleichenden Berechnungen, wie viele Tote es bei einem Absturz in den verschiedenen Flugschneisen gäbe. Mit Verlaub: Das ist nur noch zynisch. Ist ein Anwohner in Schwamendingen mehr wert als einer in Kloten? Und was bitte ist mit den Passagieren, die zu Recht ganz einfach das sicherstmögliche Flugverfahren erwarten? Sicherheit zu fordern, bedeutet: Ein Flugzeug muss so fliegen, dass es nicht abstürzt. Punkt.

All das lässt nur einen Schluss zu: Die Sicherheitsdiskussion ist Mittel zum Zweck. Und der Zweck ist ein ganz anderer. Nämlich den Flughafen einzuschränken, um möglichst wenig Flugbewegungen über den eigenen Dächern ertragen zu müssen. Notfalls auch auf Kosten der Sicherheit. Aber das betrifft ja dann die anderen.

Tages-Anzeiger, 05.04.2013, Seite 17


siehe auch:
Frontalangriff gegen Bürgerorganisationen (VFSN)