Der Südanflug verletzt internationale Normen (SZ)

Publiziert von VFSNinfo am
Wie die Luftfahrtbehörde bei der Piste 34 des Flughafens Zürich trickste

von Reza Rafi

Bern/Zürich

Einer der umstrittensten Schweizer Verwaltungsentscheide jährt sich diesen Sommer zum zehnten Mal: Am 23. Juni 2003 genehmigte das Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl) den Südanflug auf den Flughafen Zürich-Kloten. Nun zeigen Recherchen, dass der damalige Beschluss den gültigen Sicherheitsempfehlungen der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation Icao klar widerspricht - die Bundesbehörde räumt dies, entgegen früheren Dementis, heute erstmals ein. Konkret geht es um Sicherheitsmargen über dem Gelände, welche die Icao für An- und Abflugrouten vorgibt. Diese werden beim Anflug auf die Piste 34 teils massiv verletzt - bis zu 215 Meter ragt die Pfannenstiel-Hügelkette rechts des Zürichsees in den frei zu haltenden Luftraum.

Das Uvek verlangt die Umsetzung der Icao-Normen

Um die Differenz zu den Icao-Normen künstlich abzuschwächen, hatten die Bazl-Beamten zu einem Taschenspielertrick gegriffen: Die Behörde verkleinerte den frei zu haltenden Sicherheitsraum, indem sie dessen Grenze auf einer Steigung von 2,5 Prozent einfach weiterführte - gemäss Icao wird die Untergrenze, die nicht von Hindernissen durchbrochen werden darf, jedoch nach 6,6 Kilometern horizontal weitergeführt. Auch dieses Manöver wird von Bundesbern nicht bestritten. In einer Verfügung zum Sicherheitszonenplan des Flughafens, den das Verkehrsdepartement Uvek diesen Januar angepasst hat, heisst es: «Die im Plan festgehaltene Steigung der Hindernis-Freihaltefläche» könne «angesichts des ansteigenden Terrains akzeptiert werden». Mit anderen Worten: Man hat die Sicherheitsvorgaben einfach der Landschaft angepasst.

Pikanterweise schreibt das Departement von Bundesrätin Doris Leuthard (CVP) in seiner Betriebskonzession dem Flughafen Zürich klar vor, den Betrieb nach den Icao-Bestimmungen zu regeln. Dazu gehört eigentlich auch die Einhaltung der Sicherheitskriterien in Bezug auf die Topografie des Geländes.

Das Bazl beschwichtigt - die Piloten äussern Bedenken

Beim Bazl bestätigt man die Verletzung der Icao-Normen, doch spricht Kommunikationschef Urs Holderegger auf Anfrage von «Abweichungen» von den Icao-Empfehlungen. Und er betont: «Die Sicherheit beim Südanflug ist hundertprozentig gewährleistet.»

Die Praktiker sehen dies differenzierter. Laut Thomas Steffen von der Pilotenvereinigung Aeropers besteht die Schwierigkeit beim Anflug auf die Piste 34 vor allem darin, dass dieser aufgrund der Topografie etwas steiler ist als üblich. Die Neigung von 3,3 Grad schliesst die Landung mit dem Autopiloten in jedem Fall aus, was einen Anflug bei Nebel verhindere. «Das Hauptproblem ist aber, dass wir die Landepiste nach politischen Vorgaben wählen müssen» - solange es noch gesetzlich möglich ist, steuern die Piloten zwischen 6 und 7 Uhr morgens die Piste 34 an. «Das ist im internationalen Vergleich sehr unüblich. Normalerweise wird die Piste so gewählt, dass der Wind von vorne kommt.»

Grund für die Situation ist die einseitige Verordnung Deutschlands, seit das Schweizer Parlament 2003 den ersten Fluglärmvertrag kippte. Ob das neue, von Leuthard ausgehandelte Abkommen zu einer Entspannung führen würde, ist umstritten - ein Inkrafttreten ist indes in weiter Ferne. Gegenüber der SonntagsZeitung sagt der deutsche Botschafter Peter Gottwald, der Staatsvertrag werde vor der Bundestagswahl im Herbst wohl «nicht mehr angepackt».

Der ehemalige Swissair-Kapitän Peter Jeker wies bereits 2002 in der NZZ auf das «Unfallrisiko beim Südanflug» hin und resümierte mit bitterer Ironie: «Nehmen wir dieses "Hügelrisiko" in Kauf.»


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Sonntagszeitung, 31.03.2013