«Aufgeben wird der Süden nie» (ZSZ)

Publiziert von VFSNinfo am
Die Fluglärmgegner in der «Südschneise» wehren sich vehement gegen den Vorwurf von wachsender Resignation in ihren Reihen. Eine engere Zusammenarbeit wird zwar grundsätzlich begrüsst, aber nicht aktiv vorangetrieben.

THOMAS SCHÄR
Es scheint, als kenne der Flughafen Zürich seit Jahren nur ein Thema: den Fluglärm. Insbesondere im Süden des Flughafens hat sich lautstarker Widerstand formiert. In der Öffentlichkeit wird vor allem der Verein Flugschneise Süd – Nein (VFSN) als legitimer Interessensvertreter und Themenführer wahrgenommen. Dessen Präsident Thomas Morf weist darauf hin, dass der VFSN seit Jahren die einzige Organisation im Süden sei, «die sich ausschliesslich mit der Fluglärmproblematik befasst». Es gibt aber noch zwei weitere grosse Verbände im Süden: die Stiftung gegen Fluglärm und das Fluglärmforum Süd. Diese sind in der öffentlichen Wahrnehmung weniger präsent als der VFSN.

Vielschichtig und komplex
Auch der Präsident der Stiftung gegen den Fluglärm, Adolf Spörri, ist der Meinung, dass der VFSN die Speerspitze des Widerstandes bilde. Dagegen ist die Stiftung gegen den Fluglärm mit Sitz in Zumikon nicht nur auf den Süden beschränkt. Der Vorsitzende des Steuerungsausschusses im Fluglärmforum Süd, Richard Hirt, gibt zu bedenken, dass die Medienoberfläche nur eine Öffentlichkeit in der Flughafendebatte sei: «Hinter den politischen Kulissen wird seit Jahren aktiv lobbyiert, die Positionen werden diskutiert und die Anliegen der betroffenen Bevölkerung eingebracht.» Im Süden sei dies die Rolle der Städte und Gemeinden, die sich bereits im Jahre 2000 zum Fluglärmforum Süd zusammengeschlossen haben.

Völlige Einigkeit herrscht zwischen VFSN, Stiftung gegen den Fluglärm und Fluglärmforum Süd beim Thema Südanflüge. Alle drei Vertreter halten es nach wie vor für stossend, dass diese eingeführt wurden. Spörri verweist darauf, «dass beim Nordanflug auf den letzten 14 Kilometern wenige Menschen betroffen sind, beim Südanflug sind es städtische Gebiete, die im Tiefflug überflogen werden». Für Thomas Morf würde deshalb eine Bündelung der Kompetenzen in einer einzigen Bürgerorganisation Sinn machen: «Das Thema ist vielschichtig und komplex.» Nur wer bereit sei, einiges an Zeit zu investieren, könne dabei kompetent mitreden. Der natürliche Verbündete für den VFSN wäre wohl in erster Linie das Fluglärmforum Süd. Richard Hirt macht geltend, dass gemeinsame Sache gemacht werde, «aber auf anderen Ebenen und teilweise mit anderen Mitteln». Das Fluglärmforum Süd konzentriere sich derzeit auf die politische Überzeugungsarbeit bei Entscheidungsträgern auf Stufe Bund, Kanton und Parlamente. In Abstimmungskämpfen werde gemeinsam aufgetreten, und dies zumeist in Absprache mit der Stadt Zürich: «Zusammen vertreten wir über 700\'000 Stimmberechtigte.»

Die Stiftung gegen den Fluglärm ist hingegen keine politische Organisation. Sie klärt die Bevölkerung seit 13 Jahren – seit ihrer Gründung – über die schädlichen Auswirkungen der Flugimmissionen auf, wie Spörri darlegt. Der Zürcher Rechtsanwalt mit Wohnsitz Gockhausen nimmt für seine Stiftung in Anspruch, dazu beigetragen zu haben, «dass in der ganzen Bevölkerung der Flugverkehr heute kritischer wahrgenommen wird». Die betroffene Bevölkerung habe den Glauben an den Rechtsstaat verloren, «was Auswirkungen auf die Loyalität des Bürgers zum Staat hat». Die Folgen seien langfristig verheerend.

Fadenscheinige Argumente
Für völlig falsch hält Spörri den Eindruck, dass der Widerstand gegen den Fluglärm im Süden des Flughafens teilweise erlahmt ist und viel von seinem Anfangselan verloren hat. Technische Anflüge wie der gekrümmte Nordanflug (GNA) von Westen und von Osten würden mit fadenscheinigen Argumenten verzögert, «was von der Bevölkerung nicht verstanden und auch nicht akzeptiert wird». Die Leute machten nach wie vor die Faust im Sack und hätten nicht vergessen, «dass politisches Versagen die Südanflüge verursacht hat». Zehntausende hätten an den Rechtsstaat geglaubt und seien im Vertrauen auf geltende Gesetze etwa aus dem Raum Regensdorf/Dällikon in den nicht belasteten Süden gezogen: «All diese Leute werden nie re-signieren.» Dafür spricht, dass der VFSN nach Aussage von Morf in den letzten drei Monaten rund 650 neue Mitglieder und Spender hinzugewonnen hat. Die Gier der Flughafen- und Lufthansa-Manager nach ungebremstem Wachstum stosse zunehmend auf Unverständnis und Ablehnung.

Auch für Fällandens Gemeindepräsidenten Richard Hirt ist der Eindruck von wachsender Resignation in Kreisen der Fluglärmgegner falsch: «Aufgeben wird der Süden nie, auch nicht die Städte und Gemeinden im Fluglärmforum Süd.» Der eigene Einfluss auf politische Entscheidungsträger sei nicht unerheblich. Dabei habe man Gutes anstossen können, wie beispielsweise die Diskussion um den GNA. Bei der Beeinflussung eines kantonalen Richtplans, eines Sachplans Infrastruktur Luftfahrt (SIL) oder eines Objektblatts hätten die Städte und Gemeinden Einflussmöglichkeiten, welche die Bevölkerungsbewegungen rund um den Flughafen so nicht haben, ist Hirt überzeugt: «Sie können vermehrt auf den Putz hauen, wir machen Politik.» Bezüglich der Südanflüge und Südstarts vertrete das Fluglärmforum Süd zudem die gleiche restriktive Politik wie der Zürcher Regierungsrat (siehe dazu auch unten).


«Schneiser» sind gegen Kapazitätsausweitung am Flughafen

Im Objektblatt des Sachplans Infrastruktur Luftfahrt (SIL) sollen die Südstarts straight, also die Starts Richtung Süden geradeaus am Flughafen Zürich, auch im Alltagsbetrieb zugelassen werden. Diese Pläne hat Verkehrsministerin Doris Leuthard an einem Treffen von Ende November mit dem Zürcher Regierungsrat kundgetan.

Das SIL-Objektblatt legt die langfristigen Rahmenbedingungen für die bauliche und betriebliche Entwicklung des Flughafens fest. Begründet wird das Vorgehen von der Bundesrätin mit Sicherheitsaspekten und zur Entlastung des Ostens. Nicht nur beim Regierungsrat, auch bei den Fluglärmgegnern im Süden stösst dieses Vorhaben auf Ablehnung. Südstarts straight dienten der Ausweitung der Kapazität des Flughafens, lautet der Tenor. «Die Stiftung gegen den Fluglärm ist der Auffassung, dass der Flughafen nicht vergrössert, sondern verkleinert werden sollte», sagt deren Präsident Adolf Spörri.

Auch Thomas Morf ist der Meinung, dass Südstarts straight nicht nötig seien: «Seit rund sechs Jahren stagnieren respektive sinken die Flugbewegungen.» Das als Folge der immer grösseren Flugzeuge und einer besseren Sitzauslastung. Dennoch klammere sich die Flughafen Zürich AG an längst überholte Prognosen von über 350\'000 Flugbewegungen bis 2020, meint der Präsident des Vereins Flugschneise Süd – Nein.

Richard Hirt,Vorsitzender des Steuerungsausschusses des Fluglärmforums Süd, hält die Südabflüge für gefährlich, denn sie belasteten die am dichtesten bevölkerte Region. Für die «Südschneiser» ist klar: So wenig Menschen wie möglich sollen im An- und Abflugverfahren mit Fluglärm belastet werden. Dieser von der Stiftung gegen den Fluglärm geprägte Grundsatz sei unbedingt einzuhalten, verlangt Spörri. Mit der Einführung des gekrümmten Nordanflugs von Osten und von Westen könnten die Südanflüge reduziert werden.

Unberechenbare Risiken
Mit modernen Navigationstechniken sei es möglich, die Belastung der Betroffenen gering zu halten, meint auch Thomas Morf. Es sei unverständlich, weshalb sich das Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl) und die Luftfahrtlobby seit Jahren damit so schwer täten: «Es muss nichts Neues erfunden werden.»

In diesem Zusammenhang wird auch die vom Flughafen Zürich und Bazl erarbeitete und Ende Februar präsentierte «Sicherheitsüberprüfung» aufs Korn genommen. Die Studie berücksichtige die Absturzrisiken für die betroffene Bevölkerung am Boden nicht, heisst es. Dabei wären die Folgen eines Absturzes über besiedeltem Gebiet laut Spörri «gravierend und nicht mehr berechenbar, insbesondere auch für die Entscheidungsträger». Für Thomas Morf verhält sich der Bericht wie eine Sicherheitsstudie zum Strassenverkehr, «bei der die Fussgänger und Velofahrer ignoriert werden». Richard Hirt erinnert daran, dass das Fluglärmforum Süd bereits 2002 auf diese Problematik hingewiesen habe: «Neu ist dieses Thema nicht.» Leider sei es aber noch nicht in allen Köpfen angekommen.

Bazl: Es geht nicht um Lärm
Bazl-Sprecher Urs Holderegger stellt klar, dass es beim Sicherheitsbericht um eine Darstellung der systemischen Risiken des Betriebes am Flughafen und die Nennung von Massnahmen zur Minimierung dieser Risiken im Nachgang zum Beinahe-Unfall vom 15. März 2011 gegangen sei. Der Bericht ziele auf die Verringerung der Komplexität. Nicht Gegenstand der Studie und auch nicht Fokus der von der Schweizerischen Unfalluntersuchungsstelle (Sust) formulierten Sicherheitsempfehlungen sei die Überprüfung anderer Risiken gewesen, etwa ein Absturz über dichtbesiedeltem Gebiet oder auf ein Kernkraftwerk. Es sei aber selbstredend, betont Holderegger, dass eine Verringerung der Komplexität auch zu einer Verringerung der genannten Risiken beitrage. Das Thema Lärmbetroffenheit sei nicht Gegenstand der Sicherheitsüberprüfung und werde im SIL-Objektblatt abgehandelt.

Was den gekrümmten Nordanflug betrifft, so wurde nach Angaben von Holderegger das eingereichte Gesuch 2008 deshalb abgelehnt, weil es sich um einen Nichtpräzisions-Anflug gehandelt habe. Dieser weise im Vergleich zum ebenfalls zur Verfügung stehenden, auf Instrumente gestützten Verfahren ein tieferes Sicherheitsniveau auf». (ths)

ZSZ, 23.03.2013, Seite 7

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