Leuthard hat bloss einen Etappensieg errungen (TA)

Publiziert von VFSNinfo am
Der Ständerat stimmt dem Fluglärmvertrag mit Deutschland ohne Begeisterung, aber mit klarer Mehrheit zu. Im Nationalrat ist das Geschäft absturzgefährdet: SP, SVP und Grüne wollen es zumindest sistieren.

Von Fabian Renz, Bern

«Diese Flughafengeschichte sollte ein Ende finden.» Mit diesem Satz brachte Verkehrsministerin Doris Leuthard (CVP) gestern die Stimmung im Ständerat auf den Punkt. Verschiedene Ratsmitglieder machten in der Debatte klar, dass sie dem Staatsvertrag, der den Fluglärmstreit mit Deutschland beilegen soll, nur notgedrungen zustimmen.

«Wir sollten Deutschland keinen Steilpass für einen einseitigen Verordnungserlass geben», erklärte Markus Stadler (GLP, UR). Man brauche «klare Verhältnisse», er werde daher «mit einem Knurren» dem «Knebelvertrag» zustimmen, ergänzte Georges Theiler (FDP, LU). Ihm missfalle zwar die Ausdehnung der Sperrzeiten, doch immerhin würden die Flugbewegungen nicht beschränkt, und die Möglichkeit des gekröpften Nordanflugs eröffne neue Möglichkeiten. Mehrere Votanten betonten, dass es gegenüber den Deutschen, die den Ratifizierungsprozess sistiert haben, ein Zeichen zu setzen gelte. Verena Diener (GLP, ZH) will mit einem Ja das Signal aussenden, «dass keine Nachverhandlungen mehr möglich sind».

Die Zustimmung der kleinen Kammer fiel am Ende mit 40 zu 2 Stimmen bei 2 Enthaltungen äusserst deutlich aus. Die Vereinigung Pro Flughafen und das «Komitee weltoffenes Zürich» zeigten sich in Stellungnahmen sehr erfreut über das Resultat. Allerdings zeichnet sich seit längerem ab, dass Leuthards Vertrag vor allem im Nationalrat Widerstand erwachsen wird – und zwar sowohl von links als auch von rechts.

Ein wichtiger Vorentscheid über die Zukunft des Abkommens dürfte bereits am 25. März fallen. Dann nämlich wird die Verkehrskommission des Nationalrats voraussichtlich einen Sistierungsantrag der SP-Fraktion beraten, wie Edith Graf-Litscher (SP, TG) sagt. Die sozialdemokratische Skepsis gegenüber dem Abkommen scheint sich in jüngster Zeit akzentuiert zu haben – «bevor wir darüber entscheiden, wollen wir wissen, welche Region wie viel Fluglärm zu tragen hätte», betont Graf-Litscher. Sie hofft, die Kommission für einen gemeinsamen Vorstoss zu gewinnen: Das Verkehrsdepartement solle in einem Zusatzbericht die Verteilung des Fluglärms im Landesinnern klären. Diese Vorschläge seien dann zusammen mit dem Vertrag zu behandeln. «Es eilt ja nicht, da das Geschäft in Deutschland bis nach den Wahlen im Herbst wohl ohnehin blockiert ist.» Falls die Ratskollegen ein solches Vorgehen ablehnen, wollen die Verkehrspolitiker der SP endgültig auf Opposition schalten: «Wir würden unserer Fraktion beantragen, den Staatsvertrag abzulehnen», hält Graf-Litscher fest.

Die Unterstützung der Grünen hat die SP, wie es aussieht, schon auf sicher. «Wir lehnen diesen Staatsvertrag ab, weil wir kein weiteres Wachstum für den Flugbetrieb wollen. Wenn die SP einen Sistierungsantrag stellt, werden wir diesen unterstützen», sagt Regula Rytz, Co-Präsidentin der Grünen.

Warten auf Deutschland

Für eine Sistierung tritt auch die SVP ein. «Jetzt sind zunächst einmal die Deutschen an der Reihe», sagt Nationalrat Alfred Heer (SVP, ZH). «Vorher macht eine Ratifizierung keinen Sinn, im Gegenteil: In Deutschland hiesse es dann, wir Schweizer wollten diesen Vertrag unbedingt.» Gemeinsam wären SP, SVP und Grüne stark genug, das Vertragswerk auf Eis zu legen. Allerdings sind namentlich in der SVP die Meinungen durchaus geteilt. So soll etwa Nationalrat Max Binder, der ebenfalls in der Verkehrskommission sitzt, für eine Ratifizierung eintreten. Er war für den TA gestern nicht erreichbar.

Da Leuthard mit der Unterstützung von CVP und FDP rechnen kann, sind knappe Entscheide wahrscheinlich. Ein bloss knappes Ja wäre aus Sicht mancher Befürworter im Übrigen durchaus erwünscht. Der Ständerat habe zu deutlich zugestimmt, meint Nationalrätin Kathy Riklin (CVP, ZH): «In Deutschland wird man dieses Resultat jetzt als Beleg dafür interpretieren, dass der Vertrag vor allem der Schweiz Vorteile bringe.»

Tages-Anzeiger, 08.03.2013, Seite 17