Andreas Schürer
Der «Lärmfünfliber» sorgt immer wieder für emotionale Debatten. Die pauschale Passagiergebühr von 5 Franken speist zusammen mit Lärmabgaben der Fluggesellschaften den im Jahr 2000 geschaffenen Airport Zurich Noise Fund (AZNF), aus dem Lärmschutzmassnahmen und Entschädigungszahlungen finanziert werden. Im Herbst 2011 verlangte der Zürcher Kantonsrat, die Abgabe sei zu verdoppeln, der «Lärmfünfliber» in eine «Lärmzehnernote» umzuwandeln.
Volle Kasse
Nun geht die Reise in die andere Richtung. Mit Entscheid vom 7. Januar hat das Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl) das neue Lärmgebührenmodell des Flughafens genehmigt – mit der Auflage, die Passagier-Lärmgebühr per 1. Januar 2014 «zu sistieren oder substanziell zu reduzieren». Für Thomas Morf, Präsident des Vereins Flugschneise Süd – Nein (VFSN), kommt dies einem Schreckensszenario gleich: «Damit demonstriert das Bazl, dass es die Hub-Träume partout nicht aufgeben will.» Der Wegfall der Pauschalgebühr solle offensichtlich das Drehkreuz in Zürich vor allem für die begehrten Umsteigepassagiere attraktiver machen.
Diesem Vorwurf widerspricht das Bazl vehement. Der Sprecher Urs Holderegger begründet den Entscheid hauptsächlich damit, dass der Noise Fund genügend gut alimentiert sei. Mit anderen Worten: Die Kasse sei so prall gefüllt, dass auf die Passagiergebühr verzichtet werden könne. Für Holderegger ist diese ohnehin unbefriedigend. Das Ziel müsse sein, dass Fluggesellschaften leisere Maschinen einsetzten. Diesbezüglich habe aber eine pauschale Passagiergebühr keinerlei Steuerungswirkung.
Die Rechnung hinter der noch unveröffentlichten Verfügung des Bazl, die der NZZ vorliegt, sieht so aus: Im Basisszenario geht der Flughafen von Gesamtkosten für Schallschutzmassnahmen und Entschädigungszahlungen in der Höhe von 740 Millionen Franken aus. Im Negativszenario ist mit bis zu 1,55 Milliarden Franken zu rechnen. Entscheidend wird sein, wie die Gerichte die hängigen Fragen bezüglich Entschädigungen und Schallschutzmassnahmen beantworten werden.
Gemäss der Prognose des Bazl wird der Noise Fund Ende 2013 über die 740 Millionen Franken des Basisszenarios verfügen. Der Lärmfonds soll danach weitergeführt werden. Aber, so schreibt das Bazl: «Die Speisung des Noise Fund hat ab dem Jahr 2014 primär über die Lärmgebühren für Luftfahrzeuge zu erfolgen.» Die Zürcher Volkswirtschaftsdirektion teilt diese Auffassung, wie sie mitteilt.
Zentral sei, sagt Bazl-Sprecher Holderegger, dass mit den Lärmgebühren für Flugzeuge eine Steuerungswirkung erreicht werde. Heute werden wegen technologischer Fortschritte seit der Einführung des gegenwärtigen Gebührenmodells im Jahr 2000 nur rund 10 Prozent der Flugbewegungen belastet. Mit dem neuen Modell sollen es ab 1. April 2013 75 Prozent sein. Zudem werden neue Zuschläge für Landungen und Starts in den Randstunden erhoben. Holderegger rechnet vor, dass mit diesen Massnahmen die Belastung für die Airlines von heute 6 bis 7 Millionen auf rund 12,5 Millionen Franken erhöht werde – auf exakt so viel also, wie sie im Jahr 2001 zahlen mussten. So würden Fluggesellschaften dazu gedrängt, ihre Flotte zu modernisieren. Noch weiter gehende Verschärfungen des Lärmgebührenmodells verlangt das Bazl für das Jahr 2014. Der Flughafen muss auf diesen Zeitpunkt hin einen «Anreizmechanismus» erarbeiten, der zusätzlichen Druck ausübt. Laut Holderegger sollen jene Airlines belohnt werden, die künftig in Luftfahrzeuge mit geringeren Lärmimmissionen investieren.
Unzufriedene Swiss
Der Südschneiser Morf misstraut diesen Aussagen. Das Wecken am Morgen werde durch die Änderungen billiger, kritisiert er. Seine Rechnung lautet: Für einen Langstreckenjet mit 150 Passagieren betrage die Gebühr für einen morgendlichen Südanflug heute insgesamt 750 Franken (150 × 5 Franken Passagiergebühr). Neu sei ab 2014 ein solcher «Weckflug» schon ab 60 Franken Lärmgebühr für die Maschine zu haben.
Das Bazl hält dagegen, dass in dieser Rechnung zwei unterschiedliche Gebührenarten vermischt würden, einerseits jene für die Flugzeuge, anderseits der «Lärmfünfliber», der eine zeitlich befristete Gebühr zur Vorfinanzierung von Lärmkosten darstelle. Holderegger sagt: «Er hat nur so lange eine rechtliche Existenzberechtigung, als die Finanzierung der prognostizierten Lärmkosten noch nicht sichergestellt ist.» Eine künstliche Aufrechterhaltung des «Lärmfünflibers» aus rein politischen Gründen wäre rechtswidrig, sagt der Bazl-Sprecher.
Zurückhaltend äussert sich die Swiss, der laut Bazl jährliche Mehrkosten von über 2 Millionen Franken entstehen: Die Auswirkungen müssten zuerst analysiert werden, heisst es. Das im April 2013 in Kraft tretende Modell bezeichnet Sprecherin Susanne Mühlemann allerdings als «nicht zielführend» und «höchstens als Übergangslösung tragbar», weil es die Swiss massiv stärker belaste, obwohl sie Milliardeninvestitionen in leisere Flugzeuge tätige. Ab 2014 werden innerhalb von gut zwei Jahren die Flugzeuge des Typs Avro RJ100 durch modernere der C-Series von Bombardier ersetzt. Der vom Bazl verlangte «Anreizmechanismus» müsse dies ab 2014 honorieren, sagt Mühlemann. Sie fordert: «Ab dann braucht es ein neues Modell.»