Andreas Schürer
Verkehrsministerin Doris Leuthard lässt sich noch nicht in die Karten blicken. Heikle Themen wie der gekröpfte Nordanflug, der gerade Südstart, der auch direkt über die Zürcher Goldküste führt, oder die Pistenverlängerungen am Flughafen Zürich sind an ihrer Pressekonferenz nicht zur Sprache gekommen. Leuthard sagte, dass sie ursprünglich zwar in Aussicht gestellt habe, in der Botschaft ans Parlament die Umsetzung in der Schweiz aufzuzeigen. Weil der Ratifikationsprozess in Deutschland aber blockiert ist, will sich Leuthard noch nicht festlegen.
Unklug ist dies nicht, gänzlich stoppen lässt sich die Diskussion über den künftigen Betrieb am Flughafen Zürich allerdings nicht. Manche Direktbeteiligten empfinden es als ärgerliche Koinzidenz, dass parallel zur Debatte über den Staatsvertrag mit Deutschland auch das Sachplan-Verfahren (SIL) für den Flughafen Zürich in der Endphase ist: Nächstes Jahr will der Bundesrat das Objektblatt verabschieden. Ob gekröpfte Nordanflüge von Osten oder Westen her ermöglicht werden oder nicht, ob der gerade Südstart nicht nur zur Kapazitätssicherung bei Nebel oder Bise erlaubt sein soll – all das wird im SIL-Objektblatt festgelegt sein müssen.
Kein Wort zum Südstart
Auf nächsten Frühling kündigte Leuthard in der SIL-Diskussion eine weitere Anhörung an – inklusive des Einbezugs der betroffenen Bevölkerung. Das Objektblatt werde «nicht im stillen Kämmerlein» verabschiedet, versicherte sie.
Die Fronten sind bekannt: Die Regionen im Osten, Westen und Norden des Flughafens drängen auf eine Verteilung des Fluglärms und erinnern Leuthard bei jeder sich bietenden Gelegenheit an ihre frühere Aussage, dass ein fairer Lastenausgleich angestrebt werden müsse. Der Süden verweist auf die Umweltschutzgesetzgebung und Volksentscheide im Kanton Zürich, die in der Stossrichtung beide eine Kanalisierung und eine Lösung verlangen, die möglichst wenig Menschen mit Fluglärm belastet. In ein Wespennest stach Leuthard diesbezüglich mit ihrem Auftritt bei der Zürcher Regierung vom 28. November. Die Bundesrätin drängte an dem Treffen, das nicht hätte bekanntwerden sollen, auf eine Öffnung des im SIL vorgesehenen engen Korsetts für den geraden Südstart, stiess aber auf kategorische Ablehnung, wie die Zürcher Regierungssprecherin gegenüber der NZZ bestätigte. Zu den Südstarts äusserte sich Leuthard am Mittwoch nicht.
Unbestritten ist, dass der gerade Südstart in Kombination mit Nordanflügen aus Sicherheitsgründen am besten abschneidet – dieses Betriebskonzept entspricht faktisch einem Parallelpistensystem. Der Nachteil: Die Starts führen über dichtbesiedeltes Gebiet im südlichen Glatttal, am Zürichsee und im Zürcher Oberland. In den vom Bundesamt für Zivilluftfahrt vorgeschlagenen Varianten schneidet denn auch in einer Gesamtbetrachtung, in der auch die Zahl der Lärmbetroffenen berücksichtigt wird, das Ostkonzept am besten ab. Dieses Fazit wird in der Botschaft ans Parlament bekräftigt. Sicherheitsmässig lasse sich dieses Konzept mit Landungen aus dem Osten und Starts nach Norden mit Verlängerungen der Pisten 28 und 32, einem Ausbau des Rollwegsystems und einer Entflechtung der Flugrouten erheblich verbessern, heisst es. Zudem würde es, ganz im Sinne des Zürcher Fluglärm-Indexes (ZFI), zu einer Abnahme der Anzahl belasteter Personen führen.
Umstrittene Zahl bestätigt
Auf den Stand der Gespräche mit Deutschland ging Leuthard nicht vertieft ein. In der Botschaft bekräftigt der Bundesrat aber neckisch die Zahl der mit dem Staatsvertrag möglichen Nordanflüge, welche die Proteste aus Süddeutschland befeuerte. Der Bundesrat hält fest, dass sich die Zahl der Nordanflüge im Jahr 2020 auf rund 80\'000 bis 85\'000 reduzieren werde – dass sie aber bis zur Kapazitätsgrenze von 105\'000 bis 110\'000 Bewegungen wachsen könne. Süddeutschland pocht auf eine Limitierung auf etwa 80\'000 Bewegungen.
Weitere offene Fragen in den Gesprächen mit Deutschland sind Befürchtungen aus dem Raum Konstanz, im Falle einer vermehrten Anwendung des Ostkonzepts belastet zu werden, die Reduktion der Mindestflughöhen und der Grenzabstand des gekröpften Nordanflugs. Der Schweiz ausgeliefert wären die Deutschen allerdings auch bei einer Ratifikation nicht. Im Vertrag sind die Schaffung einer gemeinsamen Luftfahrtkommission und eine enge grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Flugsicherungen vorgesehen.