Andreas Schürer
Die durchgesickerten Pläne der Verkehrsministerin Doris Leuthard haben im Kanton Zürich einigen Wirbel ausgelöst. An einem Treffen mit der Zürcher Gesamtregierung hatte Leuthard am 28. November ihren Plan dargelegt, den geraden Südstart zu forcieren. Auch die Goldküste müsse einen Teil der Lasten des Flughafens tragen. Die Zürcher Regierung verweist auf den vertraulichen Inhalt des Gesprächs, das nicht hätte bekanntwerden sollen, hält aber fest, dass die Auffassungen zwischen Zürich und Bern über den Einsatz des Südstarts auseinander gingen. Der Regierungsrat lehnt Leuthards Pläne kategorisch ab.
Die Auffassungen gehen aber auch im Kanton auseinander. Die Gruppierungen im Osten, Westen und Norden des Flughafens begrüssen eine Forcierung des sogenannten Straight out 16, der von der Piste 16 aus über das südliche Glatttal, das Zürcher Oberland und die Zürichseeregion erfolgt. Der Süden kündigt heftigen Widerstand an, sollte Leuthard diese Pläne nicht schnellstens wieder beerdigen.
Viele Betroffene
Wie Leuthard die Kritik der Zürcher Regierung und die sonstigen Reaktionen gewichtet, wird wohl schon bald zu erfahren sein: Am Mittwoch soll die Botschaft zum Staatsvertrag zuhanden des Parlaments bekanntwerden. Leuthard hatte in Aussicht gestellt, dass darin die Stossrichtung der innerschweizerischen Umsetzung ausgeführt werde.
Unabhängig vom Schicksal des Staatsvertrags mit Deutschland wird der Bundesrat nächstes Jahr das Objektblatt des Sachplans Infrastruktur Luftfahrt (SIL) verabschieden, das den Betrieb des Flughafens Zürichs bis ins Jahr 2030 regelt. Im Entwurf des Objektblatts sind gerade Südstarts nur als kapazitätsichernde Massnahme bei schlechtem Wetter vorgesehen. Ein weitergehender Einsatz brächte betrieblich und sicherheitsmässig Vorteile, wie das Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl) in einer Auslegeordnung festhielt. Zum einen erhöhte sich die vergleichsweise tiefe Stundenkapazität am Flughafen Zürich, was besonders in Spitzenzeiten gefragt wäre. Zum anderen fiele der Konfliktpunkt weg, der sich im heutigen Nordkonzept ergibt: Im Falle eines Durchstarts des Nordanflugs auf der Piste 14 kreuzt der Straight out 16 dessen Route nicht – im Gegensatz zum heutigen Südstart, bei dem die Flugzeuge kurz nach dem Abheben ab der Piste 16 in einer 270-Grad-Kurve Richtung Osten abdrehen (Wide Left Turn).
Die Nachteile breitete das Bazl aber auch aus: Der gerade Südstart führt über dichtbesiedeltes Gebiet. Das Bazl kam deshalb zum Schluss, der generelle Einsatz des Straight out 16 käme erst infrage, wenn Flugzeuge eines Tages bedeutend weniger Lärm verursachten.
Versprechen einlösen
Dass Doris Leuthard die Prioritäten anders setzen will, kommt im Osten gut an. Die Winterthurer Stadträtin Barbara Günthard-Maier (fdp.), die den Verbund Region Ost präsidiert, sagt: «Doris Leuthard hat uns einen fairen Lastenausgleich in Aussicht gestellt. Mit einer Entlastung des Ostens vom Startlärm löst sie ihr Versprechen ein – und verbessert erst noch die Sicherheit.» Der Verein Bürgerprotest Fluglärm Ost (BFO) schreibt: «Der Süden wird wohl oder übel die Kröte mit dem Südstart geradeaus schlucken müssen; auch und gerade wegen der Sicherheit.» Der BFO ermuntert Leuthard: «Straight forward», weiter so. Die IG-Nord streicht hervor, dass der gerade Südstart die Verkehrsabwicklung erleichtere, der hauptbetroffenen Bevölkerung fluglärmfreie Phasen bringe und die Flugsicherheit erhöhe.
Im Süden ist der Ärger dagegen gross. Thomas Morf, Präsident des Vereins Flugschneise Süd – Nein (VFSN), kritisiert, dass mit dem Sicherheitsargument als Vorwand der Forderung nach einer Maximierung der Kapazität entsprochen werde. Das sei menschenverachtend, weil mit keiner anderen Flugroute mehr Menschen einem Absturzrisiko und maximal möglicher Lärmbelastung ausgesetzt werden könnten. Das Fluglärmforum Süd, eine Plattform der südlichen Gemeinden, erinnert an den Mai 2000, als eine Variante des geraden Südstarts wegen Bauarbeiten am Flughafen für einige Zeit angewendet werden musste. Die Konsequenzen seien gravierend gewesen, Schulen hätten ihr Programm teilweise anpassen müssen. Richard Hirt, Gemeindepräsident von Fällanden und Präsident des Forums, droht denn auch scharf: «Sollte diese Idee nicht baldmöglichst vom Tisch gefegt werden, werden die Städte und Gemeinden im Süden ihre Haltung grundsätzlich revidieren müssen – ein Ausbau käme für mich dann sicher nicht mehr infrage.»