Andreas Schürer
Verkehrsministerin Doris Leuthard plant, «Südstarts geradeaus» am Flughafen Zürich im Objektblatt des Sachplans Infrastruktur Luftfahrt (SIL) aus Sicherheitsgründen und zur Entlastung des Ostens auch im alltäglichen Flugbetrieb zuzulassen. Damit würde sie das Korsett für das Startverfahren ab der Piste 16 über das südliche Glatttal, das Zürcher Oberland und die Zürichseeregion ausweiten. Im Entwurf zum SIL-Objektblatt ist der Südstart geradeaus oder der Straight out 16 nur als eine die Kapazitäten sichernde Massnahme bei Nebel oder Bise vorgesehen. Das SIL-Objektblatt, das die langfristigen Rahmenbedingungen für die bauliche und betriebliche Entwicklung des Flughafens definiert, soll – ungeachtet des Schicksals des Staatsvertrags mit Deutschland – nächstes Jahr vom Bundesrat verabschiedet werden.
Zürich und Bern uneinig
Ihre aufsehenerregenden Pläne hat Leuthard der Zürcher Gesamtregierung an einem Treffen vom 28. November dargelegt, wie mehrere voneinander unabhängige Quellen gegenüber der NZZ berichten. Dem Vernehmen nach soll Leuthard an dem Treffen unverblümt dargelegt haben, dass auch die Goldküste Lasten des Flughafens mittragen müsse. Das deckt sich mit ihrem nach der Paraphierung des Staatsvertrags geäusserten Versprechen, dass in der innerschweizerischen Verteilung des Fluglärms ein gerechter Lastenausgleich anzustreben sei.
Die Zürcher Regierungssprecherin Susanne Sorg bestätigt auf Anfrage das Treffen. Es habe zwar in freundschaftlicher Atmosphäre stattgefunden, sagt Sorg. Sie fügt aber hinzu: «Die Auffassungen gehen auseinander.» Die Zürcher Regierung hat laut Sorg an dem Treffen mit Leuthard ihre Position bekräftigt, dass sie Südstarts geradeaus nur – wie im SIL-Entwurf vorgesehen – zur Stabilisierung des Betriebs bei Nebel oder Bise zustimme. Ein weitergehender Einsatz werde kategorisch abgelehnt. Der Kanton Zürich vertrete weiterhin die Maxime, dass so wenig Menschen wie möglich mit Fluglärm belastet werden sollten.
Zürichs kategorische Ablehnung des Südstarts geradeaus kommt im Verkehrsdepartement (Uvek) nicht gut an. Mittelfristig führe aus Sicherheitsgründen kein Weg daran vorbei, ausserhalb der Sperrzeiten Nordanflüge mit dem Straight out 16 zu kombinieren. Es dürfe nicht sein, dass der Kanton Zürich die sichere und nachhaltige Entwicklung einer nationalen Infrastruktur blockiere, heisst es.
Gerangel um Kompetenzen
Mit anderen Worten: Sollte Leuthard trotz der klaren Zürcher Ablehnung auf einer Ausweitung des Korsetts für den Südstart geradeaus beharren, wird sich das ohnehin absehbare Machtgerangel verstärken. Im Zuge der zweiten Etappe zur Revision des Luftfahrtgesetzes (LFG II) hatte der Bundesrat schon angedeutet, dass er künftig einen weit stärkeren Einfluss auf die Landesflughäfen ausüben will. Am Donnerstag publizierte die Zürcher Regierung im Zusammenhang mit dem Controlling der Flughafen-Strategie einen Bericht, in dem sie Widerstand ankündigt. Der Bund suche offensichtlich Wege und Mittel, um die im kantonalen Flughafengesetz verankerten Mitbestimmungsrechte des Kantons bei Infrastrukturausbauten und lärmrelevanten Betriebsänderungen auszuhebeln, schreibt die Zürcher Regierung. Falls der Bund daran festhalte, werde sich Zürich zur Wehr setzen. Klar ist: Für den Südstart straight wird Leuthard in Zürich kaum eine Mehrheit finden – sie müsste ihn durchsetzen.
Offiziell gibt sich das Uvek gegenüber den gegenwärtigen Plänen zugeknöpft. Sprecherin Annetta Bundi bestätigt zwar das Treffen mit der Zürcher Regierung. Zum vertraulichen Inhalt des Gesprächs gebe sie aber keine Auskunft. Das Uvek lässt einzig verlauten: «Mit welchen möglichen Varianten der Staatsvertrag umgesetzt werden könnte, ist bekannt. Das Bundesamt für Zivilluftfahrt hat den betroffenen Kantonen, dem Flughafen Zürich und der Flugsicherung Skyguide im Oktober eine Reihe möglicher Varianten zur Konsultation unterbreitet, Südabflüge gehören auch dazu. Selbstverständlich spricht man über alle Varianten.»
Skyguide macht Druck
Starken Druck auf eine möglichst umfassende Einführung des Südstarts geradeaus macht die Flugsicherung Skyguide – aus Sicherheitsgründen. Ein Skyguide-Vertreter sagt: «Wir sind um jede Phase froh, während der wir den Straight out 16 anwenden können.» In Kombination mit Nordanflügen könne so der Flughafen Zürich ausserhalb der deutschen Sperrzeiten mit maximaler Sicherheit betrieben werden, da mit diesem Betrieb ein Grossteil der Komplexität eliminiert werden könne.
Auch der Flughafen streicht hervor, dass mit dem Straight out 16 Starts auf der Piste 16 völlig unabhängig von Landungen auf der Piste 14 seien – und dadurch heutige Konfliktpunkte im Falle eines Durchstartmanövers auf der Piste 14 wegfallen würden. Der Debatte im Rahmen des SIL-Prozesses wolle der Flughafen aber nicht vorgreifen, schreibt die Pressestelle, er liefere einzig «fachliche Inputs». Auf den geraden Südstart drängt auch die Swiss. Sprecherin Susanne Mühlemann sagt, dass sein Einsatz vor allem während der Spitzenzeit am Mittag wichtig sei.
Unterstützt wird die Aviatik-Branche von den Regionen im Osten, Westen und Norden des Flughafens: Sie pochen darauf, dass der Süden die Lasten des Flughafens mittragen muss. Für Leuthard könnte das Sicherheitsargument deshalb eine Trumpfkarte sein, um ihr Versprechen nach einem Lastenausgleich zumindest teilweise einzulösen. Allenfalls lässt sie sich am nächsten Mittwoch in die Karten blicken: Dann ist die Publikation der Botschaft ans Parlament bezüglich Umsetzung des Staatsvertrags vorgesehen.