Andreas Schürer
Die Gemeinden, die am stärksten vom Fluglärm betroffen sind, fühlen sich übergangen. In der Vernehmlassung zu den Vorschlägen des Bundes, wie der Staatsvertrag mit Deutschland umgesetzt werden könnte, sind sie nicht direkt eingebunden. An einer Pressekonferenz vom Freitag haben sie sich im Klotener Stadthaus Gehör verschafft. Dabei wurde verkündet, dass sie die zahlreichen bestehenden Gruppierungen um eine neue ergänzen: Sie schliessen sich zur Allianz der Gemeinden aus dem Gebiet innerhalb der Abgrenzungslinie zusammen, zur «Allianz der AGL-Gemeinden».
Ohne Opfikon und Wallisellen
Die Abgrenzungslinie ist ein raumplanerisches Instrument, welches das Gebiet definiert, in dem der Fluglärm Immissionsgrenzwerte überschreitet. Der Klotener Stadtpräsident René Huber sagte: «Die AGL-Gemeinden wissen, was Fluglärm heisst – anders als etwa die fernen Kantone Thurgau oder Aargau.» In der neuen Allianz vertreten sind 21 Gemeinden aus dem Norden, Osten und Westen, die insgesamt rund 130\'000 Einwohner vertreten. Bemerkenswerterweise sind die AGL-Gemeinden Opfikon und Wallisellen im Verbund nicht dabei. Sie tragen die Forderung nach einem Verzicht auf Pistenverlängerungen nicht mit.
Keine Region verschonen
Die Stossrichtung der Allianz ist nicht neu. Gefordert wird im Falle einer Umsetzung des Staatsvertrags mit Deutschland eine faire Fluglärmverteilung. Hanspeter Lienhart, Bauvorstand von Bülach, sagte: «Es darf keine einseitige Lösung geben.» Franz Bieger, Gemeindepräsident von Bachenbülach, präzisierte: «Es ist nicht hinnehmbar, dass aus politischen Gründen der Südwest-Sektor verschont wird.»
Konkret verlangt die Allianz, dass die Verteilung im Sinne der vom Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl) als eine von sechs Optionen vorgelegten Variante Rotation erfolgt. Diese sieht vor, dass in der Sperrzeit ab 18 Uhr nicht nur das Ost-, sondern auch das Südkonzept angewendet wird. Die Rotations-Variante hat beim Bazl allerdings einen schweren Stand. In seinem Anfang Oktober publizierten Bericht meldete es Sicherheitsbedenken an: «Zwei Konzeptwechsel, die so dicht aufeinanderfolgen, erhöhen die Komplexität des Systems erheblich.» Lienhart wertet das Sicherheitsargument allerdings als vorgeschoben: «Das ist bloss ein Vorwand, um aus politischen Gründen den Süden verschonen zu können.»
Im Visier hat die Allianz auch den Pistenausbau. Bieger hält ihn für unnötig, weil die reale Entwicklung der Zahl der Flugbewegungen keinen Bedarf nach Pistenverlängerungen erkennen lasse. Die Stundenkapazität solle aber durchaus erhöht werden können – und zwar mit einer Einführung des Südstarts geradeaus ab der Piste 16 (Straight 16) über das südliche Glatttal und das Zürichseegebiet. Diese Variante schneidet im Bazl-Bericht bezüglich der Kriterien Sicherheit und Kapazität sehr gut ab, führt aber über dichtbesiedeltes Gebiet. Für Bieger darf der «Straight 16» kein Tabu bleiben.
Protest aus dem Süden
Wenig erstaunlich angesichts solcher Forderungen ist, dass Thomas Morf in die Luft geht. Der Präsident des Vereins Flugschneise Süd-Nein (VFSN) findet, der Ruf nach dem «Straight 16» sei menschenverachtend und zeuge von Doppelmoral: «Kein anderes Verfahren am Flughafen Zürich belastet mehr Menschen mit Fluglärm.» Einmal mehr unternähmen die Profiteure des Flughafens einen Versuch, möglichst viel Fluglärm in ein dichtbesiedeltes Gebiet abzuschieben. Die Lärmverteilung erhöhe aber das Sicherheitsrisiko und sei vom Stimmvolk schon mehrfach abgelehnt worden. Nach Morfs Vorstellung soll der Fluglärm «nicht verteilt, sondern reduziert werden».
siehe auch:
Wieder eine neue Fluglärmkampf-Allianz (VFSN)