Das Ringen um eine Lösung im Fluglärmstreit wird zum Politpoker. Wer ratifiziert den Staatsvertrag zuerst: Deutschland oder die Schweiz? Politiker von links bis rechts wollen verhindern, dass die Schweiz wie bereits beim Steuerdeal mit den Deutschen vorprescht und dann immer neue Konzessionen machen muss.
SVP-Nationalrat Alfred Heer fordert daher, die Ratifizierung in der Schweiz sei zu stoppen. Der Präsident der Zürcher SVP hofft auf ein vorzeitiges Nein Deutschlands. Sein Kalkül: Die Deutschen dürften es in diesem Fall kaum wagen, die bestehenden Anflugbeschränkungen weiter zu verschärfen. «Es gälte der Status quo, mit dem wir leben können», sagt Heer. Parteikollege Christoph Mörgeli sagt in Anspielung auf den Steuerdeal mit Deutschland: «Wir dürfen es nicht zulassen, dass die Deutschen warten, bis wir ihnen wieder ins Messer laufen.»
Ungewisse Mehrheiten
Auch Vertreter der BDP wie Hans Grunder oder Thomas Hardegger von der SP unterstützten Heers Vorschlag. Hardegger wird sich in der Verkehrskommission des Nationalrats dafür einsetzen, «dass wir einen Gang zurückschalten». Die grüne Nationalrätin Franziska Teuscher fordert ein koordiniertes Vorgehen: Beide Länder sollen bis spätestens Ende 2013 über den Vertrag befunden haben.
Dass der Vertrag bis dann auf beiden Seiten unter Dach und Fach ist, zeichnet sich nicht ab. Eine klare Zustimmung ist im Schweizer Parlament noch nicht absehbar. Auch der deutsche Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) hat derzeit keine Mehrheit hinter sich. Ob sich dies vor den deutschen Wahlen im Herbst 2013 ändern wird, ist fraglich. Die Opposition aus SPD, Grünen und Linkspartei ist gegen den Vertrag, ebenso die CDU- und FDP-Abgeordneten aus Baden-Württemberg. Zusammen können sie das Geschäft versenken.
Das Verkehrsdepartement von Doris Leuthard (CVP) will sich in «deutschinterne Angelegenheiten» nicht einmischen. Die Ratifizierung in der Schweiz will das Uvek wie geplant fortsetzen. Im Frühjahr 2013 soll der Nationalrat darüber befinden, im Sommer der Ständerat. FDP-Nationalrat Markus Hutter hält Heers Forderung für falsch. Er hofft auf ein baldiges Ja des Schweizer Parlaments: «Dann stehen die Deutschen unter Zugzwang.»
Streit um Nachtflüge
Unabhängig vom Lärmstreit mit Deutschland gibt es einen neuen Streit zwischen dem Flughafen und den Anwohnern. Die Präsidentin des Schutzverbands der Bevölkerung um den Flughafen Zürich kritisiert, dass Flüge während der Nachtsperrzeit zwischen 23.30 und 6.00 Uhr morgens ständig zunehmen. In einer Auswertung der letzten vier Jahre aus dem Lärmbulletin des Flughafens Zürich zeige sich, dass diese Flüge von rund 50 (2009) auf rund 200 (2012) zugenommen haben.