Der Kanton Zürich sagt Ja zu einem Staatsvertrag, welcher der eigenen Bevölkerung deutlich mehr Lärm bringt. Was raten Sie den Leuten, die davon betroffen sind?
Wir haben gar keine andere Variante. Deutschland kann selbst über seinen Luftraum bestimmen. Zehn Jahre lang haben wir eine Lösung gesucht. Zweimal haben wir vor Gericht verloren. In Süddeutschland sagt man nicht, die lieben Schweizer kaufen bei uns ein, essen und trinken bei uns und beflügeln unsere Wirtschaft, deshalb übernehmen wir einen Teil des Fluglärms. Bis nach Berlin sagt man, die heutige Situation sei schlecht. Die Leute in Zürich gewinnen nichts, wenn wir den Vertrag ablehnen. Eine deutsche Verordnung wäre noch schlechter. Wir brauchen einen stabilen Flugbetrieb, damit wir als exportorientiertes Land das Tor zur Welt offen halten können. Aber der Flughafen muss für die Bevölkerung erträglich bleiben.
Könnten Sie sich vorstellen, den Betroffenen eine Entschädigung in Aussicht zu stellen?
Die Töpfe für die Lärmentschädigungen sind ja voll. Die Frage ist nur, wer das Geld bekommen soll.
Juristisch haben die wenigsten Leute Anrecht auf Entschädigung. Müsste der Kanton in dieser Situation nicht von sich aus grosszügiger sein?
Das ist ganz schwierig. Die Flughafenregion wuchs in den vergangenen zehn Jahren stärker als jede andere in der Schweiz. Wem geben Sie nun Geld? Auch denen, die nach 2001 hierherzogen? Ich will keine falschen Versprechungen machen. Aber ich frage mich, ob das Problem mit Geld überhaupt lösbar ist.
Was glauben Sie?
Eher nein. Aber nochmals: Es ist Geld da. Es macht mich betroffen, dass Leute, die ein Recht darauf haben, aus juristischen Gründen so lange auf eine Entschädigung warten müssen.
Wie müsste Ihrer Meinung nach das neue Betriebssystem aussehen?
Wir haben uns noch nicht festgelegt. Es muss stabil und sicher sein, und es darf nicht so komplex sein, dass es ständig Verspätungen gibt. Viele Fragen sind wir derzeit noch am Abklären.
Im März haben Zürich und die Nachbarkantone in der «Klotener Resolution» Einigkeit signalisiert. Nun kämpft wieder jeder für sich. Ist die Klotener Erklärung tot?
Nein, wir haben eine sehr gute Zusammenarbeit und einen regen Austausch. Dass im Moment jede Region für sich schaut, ist ja eigentlich logisch.
Dennoch kritisieren Sie die Nachbarkantone. Wäre es nicht gerade jetzt wichtig, gegenüber dem Bund einig aufzutreten?
Das haben wir ja getan. Man muss aber zwei Dinge auch einmal klar sagen: Der Kanton Zürich ist immer am stärksten betroffen. Wir können machen, was wir wollen. Über 95 Prozent der stark belästigten Personen wohnen hier. Und: Das Ostkonzept, so wie es der Bund vorschlägt, braucht eine Pistenverlängerung. Darüber entscheidet allein das Zürcher Parlament und allenfalls das Volk. Das kann weder der Bund noch der Aargau noch der Thurgau entscheiden.
Das Ostkonzept wird schon heute geflogen – ohne Pistenverlängerung.
Ja, aber es ist nicht stabil. Heute ist es ein Ost-Süd-Konzept. Am vergangenen Wochenende zum Beispiel kamen die Flugzeuge wegen der Windverhältnisse den ganzen Tag von Süden her.
Ein Wort zu den Kapazitäten: In den letzten Jahren stagnierte die Zahl der Flugbewegungen. Glauben Sie, der Flugverkehr wächst irgendwann wieder?
Die Fluggesellschaften sind unter einem enormen Druck. Sie werden alles daransetzen, grössere Maschinen einzusetzen, sonst verlumpen sie, auf gut Deutsch gesagt. Was Kloten betrifft, ist bei 320\'000 Bewegungen Schluss, im Moment sind wir bei 280\'000. Wir haben wirtschaftlich gute Zeiten, die Leute gehen fliegen, dennoch ist die Zahl der Bewegungen dieses Jahr sogar rückläufig. Da kann man nicht von Wachstum reden.
Müsste man nicht ganz vom Wachstumsszenario wegkommen? Auch um Druck aus der emotionalen Lärmdiskussion zu nehmen?
Ich habe nichts von Wachstum gesagt. Ich habe nur gesagt, der Betrieb muss stabil sein.
Aber der Bund hält im Bericht zum Staatsvertrag am Wachstum fest. War es geschickt, von weit über 100\'000 Flugbewegungen zu reden?
Man wollte wahrscheinlich den Vertrag für die Schweiz schönen. Dafür hat es nun den Deutschen «de Deckel glupft». Aber ich muss auch sagen: Südbaden nahm in den Verhandlungen mit drei Vertretern teil. Auch die deutsche Flugsicherung war dabei. Man hat das alles besprochen.
Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann war im September in Zürich zu Besuch. Damals äusserte er sich positiv zum Staatsvertrag, nun sagt er Nein. Ihre Meinung dazu?
Ich bin enttäuscht. Ich schätze Kretschmann als Mensch. Aber er geriet innenpolitisch unter Druck, weil Wahlen sind. Was mich mehr erstaunt, ist, dass auch die bürgerliche Wirtschaftspartei CDU sich so gegen die Schweiz stellt. Wir sind doch die besten Wirtschaftspartner. Südbaden profitiert enorm von der Schweiz, wir haben bald 100\'000 Kurzarbeitsbewilligungen ausgestellt. Dass man im Speckgürtel so miteinander umgeht, bedaure ich.
Wie ist Ihre Prognose bezüglich des Entscheids in National- und Ständerat? Gerade Ihre Partei, die SVP, steht dem Vertrag ja sehr kritisch gegenüber.
Ich glaube, es kommt zu einem Ja. Es gibt genug Leute in unserem Land, die das Schweizer Tor zur Welt offen halten wollen.
Haben Sie Signale, was Deutschland tun würde, wenn die Schweiz Nein sagte?
Ich befürchte, dass die Aussicht auf eine einseitige Verordnung relativ gross wäre. Und diese wäre wohl schärfer als der heutige Staatsvertrag. Es könnte durchaus die Stuttgarter Erklärung sein.