Von Liliane Minor
Zürich/Bern – Noch halten sich die Fraktionen im Nationalrat offiziell bedeckt, wenn es um den Fluglärm-Staatsvertrag geht. Hinter den Kulissen aber laufen die Diskussionen heiss. Sicher ist: Niemand findet den Vertrag gut. Denn künftig wird der deutsche Luftraum schon ab 18 Uhr gesperrt und nicht erst ab 21 Uhr wie heute. Das führt dazu, dass rund 20\'000 zusätzliche Anflüge über Schweizer Gebiet geführt werden müssen. Das sei eine riesige Kröte, sagen alle angefragten Nationalräte. Die Frage ist, ob die Parteien sie schlucken.
Bekannt ist, dass die FDP Schweiz mit Vorbehalt zustimmt. «Wir sind kritisch, aber wir haben leider kaum eine bessere Alternative», sagt der Zürcher Nationalrat Filippo Leutenegger. «Die Alternative wäre eine einseitige Verordnung, und die könnte noch schmerzhafter werden.» Auch die CVP/EVP-Fraktion hat sich eher für ein Ja ausgesprochen. Zu einem Ja tendiert zudem die BDP.
Auf der anderen Seite stehen die wahrscheinlichen Gegner, SP und Grüne. Beide haben ihre Position noch nicht definitiv festgelegt, melden aber schwerwiegende Bedenken an. Die SP will dem Vertrag nur unter Bedingungen zustimmen. «Wichtig ist eine faire Verteilung der zusätzlichen Flugbewegungen», sagt die Thurgauer Nationalrätin Edith GrafLitscher. Thomas Hardegger, Nationalrat und Gemeindepräsident von Rümlang, ist der Meinung, der Vertrag hätte zwingend die Zahl der Flugbewegungen beschränken müssen. Das sehen auch die Grünen so, wie Pressesprecherin Miriam Behren sagt.
SVP: Heer gegen Binder
Dass der Bundesrat diese Forderungen umsetzt, ist unwahrscheinlich. Eine Beschränkung der Flugbewegungen ist für ihn kein Thema. Zwar hat Verkehrsministerin Doris Leuthard (CVP) einen fairen Ausgleich bei den Belastungen versprochen. Dagegen sprechen aber Bedenken bei der Sicherheit, denn eine Verteilung des Lärms wäre nur möglich, wenn der Flugbetrieb mehrmals am Tag umgestellt würde. Bei dieser Konstellation dürfte der SVP eine entscheidende Rolle zukommen. FDP, CVP/EVP und BDP halten zusammen nur 70 Stimmen im 200-köpfigen Nationalrat. SP und Grüne haben 61 Stimmen. Beide brauchen für eine Mehrheit die SVP.
Und was sagt die SVP? Offenbar ist die Partei noch uneinig – und ausgerechnet zwei Zürcher geben den Ton an. Klarer Gegner ist Alfred Heer, der Präsident der Zürcher Kantonalpartei. Die Zürcher SVP hat sich von Anfang an gegen den Staatsvertrag ausgesprochen, und Heer geht davon aus, dass sich die Fraktion dem anschliesst. Er lässt keinen guten Faden an dem Werk: «Der Vertrag ist so schlecht, schlimmer kann es nicht mehr kommen. Man kann nicht immer nur dem Frieden zuliebe nachgeben.»
Auf der anderen Seite steht ein zweites Zürcher SVP-Urgestein: Max Binder. Er geht eher von einem Ja aus. «Der neue Vertrag ist besser als jener von 2001», sagt Binder. «Eine neue deutsche Verordnung hingegen wäre noch schlechter.» Man müsse auch die übergeordnete Bedeutung des Vertrags beachten.
Regierungsrat sagt noch nichts
Der Staatsvertrag steht also nicht nur in Berlin vor dem Aus (TA vom 20. Oktober). Auch in Bern droht ein Nein. Allerdings verweisen alle Fraktionen darauf, dass die Botschaft des Bundesrats zum Vertrag noch nicht erschienen sei. Definitiv entscheiden werde man erst, wenn diese vorliegt. Die Botschaft ist noch bis morgen Donnerstag bei den Kantonen in der Vernehmlassung.
Von Bedeutung für den Entscheid des Parlaments dürfte insbesondere die Reaktion des Zürcher Regierungsrats sein. Dieser lässt sich aber nicht in die Karten blicken: Erst nächste Woche will er den Medien darlegen, wie er den Staatsvertrag beurteilt. Bereits öffentlich geäussert hat sich der Schutzverband. Er hält in seiner Stellungnahme unter anderem fest, dass eine Verlängerung der Pisten 10/28 und 14/32 nicht nötig sei, um den Staatsvertrag umzusetzen.