Von Deutschland-Korrespondent Casper Selg
In der Schweiz ist das Luftverkehrsabkommen mit Deutschland kritisiert worden. Der Vertrag benachteilige die Schweizer Seite. Doch nun fühlen sich auch die Deutschen über den Tisch gezogen. Das deutsche Parlament wird dem Staatsvertrag gegenwärtig nicht zustimmen.
«Werden Sie den Staatsvertrag mit der Schweiz unterstützen?», lautete die Frage an die baden-württembergischen Abgeordneten der beiden Regierungsparteien CDU und FDP.
Die Antwort der CDU-Landesgruppe: «Die Landesgruppe der CDU-Abgeordneten aus Baden-Württemberg hat sich entschlossen, im Bundestag geschlossen gegen eine Ratifizierung des Staatsvertrags in seiner derzeitigen Fassung zu stimmen.»
Gegenwärtig keine Chance
Die Antwort der FDP auf unsere Fragen kam von der Abgeordneten Birgit Homburger, die den Landkreis Konstanz vertritt. Und sie sagte ebenso klar, auch die Baden-Württemberger FDP-Gruppe im Bundestag habe entschieden, sich gegen den Vertrag zu stellen. Dem Vertrag fehlen somit 33 Stimmen zu einer Mehrheit. Und damit hat der Staatsvertrag mit der Schweiz im Bundestag zur Zeit keine Chance.
Weshalb hat der Wind in Deutschland gedreht? Es geht um eine ganze Reihe von Detail-Regelungen, die man bewusst nicht in den Staatsvertrag hineinschreiben wollte, weil sie sonst auch immer nur per Änderung eines Staatsvertrages hätten modifiziert werden können. Die sollen jetzt in Nebenvereinbarungen festgeschrieben werden. Dabei zeigten sich jetzt Differenzen zwischen den beiden Parteien, die aus dem Vertragstext nicht ersichtlich gewesen seien, sagt die deutsche Seite.
85\'000 oder 110\'000 Anflüge
So spreche die Schweizer Seite in ihrer Interpretation von möglichen 110\'000 Anflügen über Süddeutschland. Die Deutschen seien von rund 85\'000 ausgegangen. Angesichts der Sensibilität dieser Zahlen und der damit verbundenen Lärmbelastung kam es sofort zu heftigen Protesten und im Anschluss daran auch zu Absetzbewegungen von einem Vertrag, der ohnehin nie als besonders positiv bewertet worden war.
Zur Zahl der Anflüge kommen weitere Kritikpunkte: Es geht um Flugrouten, die anders gelegt würden, als abgesprochen; auch um den Abstand zu Deutschland beim gekröpften Nordanflug, der noch nicht definiert sei. Auch hier werde wohl ein erheblicher Teil des Lärms nach Deutschland exportiert. Und es geht letztlich auch wieder um die früheren Anflüge die ab 6.30 Uhr statt ab 7 Uhr über deutsches Gebiet führen sollen. In einer Tourismusregion sei das nicht machbar.
Massives Kommunikationsdesaster
Aus deutscher Sicht sei es so, sagte die FDP-Abgeordnete Birgit Homburger, dass jetzt Differenzen in der Interpretation zutage getreten sind, wie das bei einem so heiklen Thema niemals hätte passieren dürfen. Entweder seien sich die beiden Seiten nie einig gewesen oder sie hätten ein massives Kommunikationsdesaster angerichtet.
Die Schweizer Seite sieht das Ganze wohl eher als Missverständnis, etwa wenn es um die Zahl der Anflüge geht. Die neue Regelung würde beim gegenwärtigen Stand der Dinge in der Tat zu nur ungefähr 85\'000 Anflügen über Deutschland führen. Weil man die Kapazität für den Flughafen Zürich aber ausbauen will, spricht die Schweizer Seite in ihrem Entwurf von maximal 110\'000 Nord-Anflügen. Genau das wollen die deutschen Verhandler verhindern, auch wenn sie sich im Vertrag bewusst nicht auf eine Obergrenze festgelegt haben. (prus;pet)