Martin Steinegger
Das Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl) und das Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) haben gestern einen Entwurf für sechs neue Anund Abflugvarianten am Flughafen Zürich zur Konsultation vorgelegt.
Die Varianten, deren Vorund Nachteile abgewägt werden, berücksichtigen die Auswirkungen des Staatsvertrages zwischen der Schweiz und Deutschland. Dieser sieht neue Sperrzeiten über Deutschland vor. Das führt dazu, dass ab 2020 rund 20\'000 Flugbewegungen zusätzlich über Schweizer Boden erfolgen müssen. Der Streit, welche Region rund um den Flughafen den grössten Teil dieser zusätzlichen Anflüge wird schlucken müssen, ist seit Sommer im Gange.
Südstarts tauchen auf
Aus Sicht der Zürichseeregion, die heute rund 8 Prozent der Anflüge auf den Flughafen zu ertragen hat (Südanflüge), hätten die neuen Varianten unterschiedliche Konsequenzen. Die Spannbreite reicht von deutlicher Entlastung über einen Status quo bis hin zu einer Zusatzbelastung.
Das Bazl favorisiert jene Varianten, die einen Schwerpunkt der Anflüge über den Osten und Norden vorsehen und damit den Süden tendenziell entlasten. Damit diese Varianten umgesetzt werden können, braucht es aber eine Verlängerung der Pisten 32 und 28 sowie die Einführung von gekrümmten Anflugwegen aus nördlicher Richtung (CNA).
Besonders brisant aus Sicht der Zürichseeregion ist die Tatsache, dass im neuen SIL-Entwurf die Einführung sogenannter «Südstarts geradeaus» als Option auftaucht. Das Bazl stellt sich das folgendermassen vor: Weil der Osten künftig nicht nur mehr Anflüge, sondern auch Abflüge von grossen Linienmaschinen zu ertragen hätte, könnte ein Teil dieser Abflüge über den Süden erfolgen, womit die Belastung für die Bevölkerung im Osten etwas abgemildert würde.
Neue Lärmsituation
Bei einem «Südstart geradeaus» startet ein Flugzeug zunächst direkt nach Süden. Etwa auf Höhe Fällanden/Pfaffhausen erfolgt dann ein Schwenk entweder nach Osten in Richtung Uster oder nach Südwesten in Richtung Zürichsee. Da Starts tiefer geflogen werden als Landungen und lauter sind, würden speziell die Gemeinden am unteren rechten Zürichseeufer (Küsnacht, Zumikon, Zollikon, Erlenbach) sowie diverse Gemeinden am linken Seeufer (zwischen Rüschlikon und Horgen) mit einer neuen Lärmsituation konfrontiert. Thomas Morf, Präsident der Vereinigung Flugschneise Süd Nein (VFSN), zeigt sich auf Anfrage erzürnt darüber, dass das Bazl die Option «Südstarts geradeaus» überhaupt erwägt. «Das ist eine Frechheit und steht im Widerspruch zu unseren Lärm und Naturschutzgesetzen», sagt er.
«Südstarts geradeaus» würden gemäss Thomas Morf zu einer «enormen Lärmbelastung» im Süden des Flughafens und in der Zürichseeregion führen. Dessen ist man sich auch beim Bazl bewusst. Entsprechend zurückhaltend zeigt sich das Bundesamt in der Formulierung: Es sei nicht ausgeschlossen, dass dieses Konzept später einmal in Erwägung gezogen werde, wenn eine neue Generation von Flugzeugen «bedeutend weniger Lärm» erzeuge.