Neuer Ostanflug weckt Ängste (TZ)

Publiziert von VFSNinfo am
Der Ostanflug auf den Flughafen Zürich soll bei der Verteilung des Fluglärms in der Schweiz eine tragende Rolle spielen. Linke Politiker machen nun dagegen mobil. Doch im Kanton St. Gallen halten sich Bürgerliche und die Regierung zurück.

TOBIAS GAFAFER

BERN. Der Fahrplan beim Fluglärmstaatsvertrag mit Deutschland ist ehrgeizig: Bis Ende Jahr will der Bund die Verteilung des Fluglärms in der Schweiz regeln. Doch in der Ostschweiz wächst der Widerstand. Kritiker befürchten, dass diese Region am stärksten vom Fluglärm betroffen sein wird. Darauf deuten zumindest mehrere Indizien: Der Bevölkerungsdichte komme bei künftigen Betriebskonzepten für den Flughafen Zürich «erhebliche Bedeutung» zu, heisst es in einem Brief von Bundesrätin Doris Leuthard an einen Einwohner von Wil, der unserer Zeitung vorliegt. Und im Vernehmlassungsbericht zum Vertrag steht, dass das Ostanflugkonzept «eine tragende Rolle übernehmen muss». Unter den Gesichtspunkten der Komplexität, der Kapazität und der Lärmbelastung sei es vorteilhaft. Öl ins Feuer hat zudem der Flughafenchef gegossen: Vor Parlamentariern soll er laut Beteiligten unlängst den gekröpften Nordanflug über den Osten entlang der Thur ins Spiel gebracht haben – und von der «Ertüchtigung des Ostanflugs» gesprochen haben.

Kritik am Kanton St. Gallen

Nun machen die Nationalrätinnen Edith Graf-Litscher (SP/TG) und Yvonne Gilli (Grüne/SG) gemeinsam gegen eine einseitige Mehrbelastung mobil. Sie wollen die Ostschweiz wachrütteln – und potenzielle Folgen des Vertrags bald auch der Bevölkerung aufzeigen. «Die Ostschweiz droht zur Fluglärmdeponie zu werden», sagt Gilli. Mit dem Vertrag drohten dem Osten massiv mehr Anflüge, ohne dass die Mitsprache der Region garantiert sei. Es könne jedoch nicht sein, dass der Süden von Zürich entlastet werde und der Osten allein die Mehrbelastung trage. Sie warnt auch vor den gesundheitlichen Folgen.

Graf-Litscher ihrerseits fordert eine faire Verteilung der 20\'000 zusätzlichen Flüge, die auch die Randstunden morgens und abends berücksichtige. «Wir wollen aber nicht dem Flughafen den Hahn zudrehen.» Vom neuen Ostanflug wären laut der Nationalrätin neben dem Thurgau etwa die Stadt Wil betroffen. Sie kritisiert, dass Leuthards Vertrag schlechter sei als jener ihres Vorgängers. Damit nimmt sie die Bürgerlichen ins Visier, die Moritz Leuenbergers Vertrag 2001 versenkten. Kritik übt sie zudem am Kanton St. Gallen, der das Thema «verschlafe». Auch der Thurgauer Regierungsrat Jakob Stark hat die Pläne des Flughafens kritisiert.

Würth weist Vorwürfe zurück

Flankenschutz erhalten Gilli und Graf-Litscher vom Wiler SVP-Nationalrat Lukas Reimann. «Ich teile die Bedenken zu hundert Prozent.» Der Status quo sei besser als der Vertrag. Der St. Galler Regierungsrat Beni Würth (CVP) weist die Vorwürfe dagegen zurück: «Wenn der Vertrag abgelehnt wird, kommt es für die Ostschweiz schlimmer. Ein vertragsloser Zustand mit einseitigen Beschränkungen kann nicht in unserem Interesse sein.» Deshalb unterstütze er den Vertrag, der Fluglärm müsse in der Schweiz aber fair verteilt sein. «Wer diesen ablehnt und meint, damit etwas für die Ostschweiz herauszuholen, schiesst ein Eigentor.» Auch bürgerliche St. Galler Nationalräte äussern sich zurückhaltend: Der Schweiz bleibe nichts anderes übrig als der neue Vertrag mit Berlin, sagt Walter Müller (FDP). Er unterstütze diesen, wenn der Fluglärm fair verteilt sei. Für eine Mehrbelastung müsse die Region aber auch etwas bekommen. Müller fordert, dass in der Ostschweiz der öffentliche Verkehr ausgebaut werde. «Der Anschluss an den Flughafen ist völlig ungenügend.» Auch Jakob Büchler (CVP) kann bei einer fairen Lärmverteilung mit dem Vertrag leben. «Wir müssen miteinander einen Weg finden, damit der Betrieb des Flughafens nicht abgewürgt wird.»

Klarheit soll Ende Jahr die Botschaft von Doris Leuthard bringen. Der Vertrag bringt gemäss der Bundesrätin Stabilität und Rechtssicherheit. Für den deutschen Verkehrsminister Peter Ramsauer steht fest, dass es kein besseres Abkommen geben werde.

Thurgauer Zeitung, 03.10.2012