Die Flughafendebatte wird von Interessengruppen hitzig geführt, die Bevölkerung in der Nordschweiz und in Südbaden argumentiert differenzierter: Diesen Schluss legt eine neue repräsentative Befragung nahe.
Andreas Schürer
Die Unterzeichnung des Staatsvertrags hat rege Betriebsamkeit ausgelöst: In Südbaden laufen eine Bürgerorganisation und die Bürgermeister des Landkreises Waldshut gegen den Kompromiss Sturm, in der Nordschweiz ringt man verbissen um Positionen im Kampf um die Verteilung des Lärms.
Eine repräsentative Befragung von je 500 Personen in Südbaden und den Deutschschweizer Flughafenkantonen legt mehr Gelassenheit nahe. Die Befragung, durchgeführt vom Markt- und Meinungsforschungsinstitut Isopublic und in Auftrag gegeben von der deutsch-schweizerischen Unternehmerinitiative Wirtschaftsraum DCH, zeigt: Der Fluglärmstreit wird zwar sowohl in Südbaden als auch in der Nordschweiz als Belastung der grenzübergreifenden Beziehung wahrgenommen. Nahezu jeder Schweizer und zwei von drei Süddeutschen betonen aber auch die Wichtigkeit des Flughafens, wie Isopublic-Geschäftsführer Matthias Kappeler am Dienstag an einer Medienorientierung ausführte.
Ungetrübt ist der Blick auf den Airport nicht: Auf Schweizer Seite steht der Fluglärmstreit an der Spitze der belastenden Faktoren (67 Prozent). Auch die Südbadener orten ihn als grössten Konfliktherd (48,8 Prozent). Fast gleich viele halten allerdings die Suche nach einem Endlager für radioaktive Abfälle für sehr belastend (44,8 Prozent). Trotzdem: Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit ist in den Augen von über 80 Prozent der Befragten gut bis sehr gut. Beide Seiten sehen sich als Teil einer gemeinsamen Wirtschaftsregion mit Zentrum Zürich. Dass für diese der Flughafen grosse Bedeutung hat, ist dies- und jenseits des Rheins grossmehrheitlich unbestritten. 15 Prozent der befragten Südbadener messen dem Zürcher Airport sogar «grosse» oder «eher grosse» Bedeutung für ihren eigenen Arbeitsplatz bei. Der Schweizer Wert bei dieser Frage beträgt 26 Prozent.
Bemerkenswert sind die Antworten zur Fluglärmverteilung. 59 Prozent der Schweizer und 68 Prozent der Deutschen plädieren dafür, die Verteilung so zu gestalten, dass wenig besiedelte im Vergleich zu bevölkerungsreichen Regionen öfter überflogen werden sollen – was einem Plädoyer für eine Rückkehr zur Nordausrichtung gleichkommt. Für Rudolf Weber, ehemaliger Kaba-CEO und Co-Präsident der Unternehmerinitiative, braucht es nun trotzdem die Zustimmung zum Staatsvertrag, um den «tragfähigen Kompromiss» zu sichern. Die deutsche Geschäftsführerin der Unternehmerinitiative, Stefanie Luckert, sagt, in Südbaden werde der Flughafen viel entspannter wahrgenommen als von der süddeutschen Presse dargestellt.
Stocker pocht auf den «Gekröpften»
asü. Am Dienstagabend hat Regierungsrat Ernst Stocker (svp.) Vertreterder Zürcher Bezirke über den Inhalt des Flughafen-Staatsvertrags informiert. Die Stimmung sei konstruktiv gewesen, sagte Stocker auf Anfrage. Es sei an dem Treffen um Faktenvermittlung gegangen, nicht um Positionsbezüge.
Klar Stellung nimmt dafür der Zürcher Volkswirtschaftsdirektor selber. Den gekröpften Nordanflug betrachte er als sinnvolles Anflugverfahren, das nicht aus politischen Gründen aus der Diskussion ausscheiden dürfe. Von dezidierten Stellungnahmen, wie sie von den Kantonen Aargau und Thurgau zu hören waren, zeigt sich Stocker irritiert: «Man kann nicht Feuer und Flamme für den Staatsvertrag sein und die Konsequenzen nicht akzeptieren.» Die Zürcher Regierung hat sich noch nicht zum Staatsvertrag positioniert – und verfügt damit laut Stocker über ein «gewisses Druckmittel» gegenüber dem Bund.
Der Regierungsrat verfolge im Zusammenhang mit dem Fluglärm-Index die Strategie, möglichst wenig Menschenzu belärmen. Klar sei aber auch, sagt der Volkswirtschaftsdirektor, dass keine Region ganz verschont werden könne: «Eine gewisse Verteilung ist nötig – so müsste mit dem Ostkonzept auch der Süden witterungsbedingt Anflüge tragen.» Vom Bund erwartet die Zürcher Regierung laut Stocker, dass er in den kommenden Wochen den Botschaftsentwurf zur Umsetzung des Staatsvertragsveröffentlicht.