asü. Es wird ein heisser Nachmittag für Bundesrätin Doris Leuthard: In Bern ruft sie heute die Begleitgruppe zusammen, die über die innenpolitische Umsetzung des Fluglärm-Staatsvertrags diskutiert. Der Begleitgruppe gehören die hauptbetroffenen fünf Kantone an, nämlich Zürich, Aargau, Thurgau, Schaffhausen und St. Gallen. Vertreten sind auch der Flughafen Zürich, die Fluggesellschaft Swiss, die Flugsicherung Skyguide und die Bundesverwaltung. Die Gruppe trifft sich heute erstmals wieder, seit Verkehrsministerin Leuthard am 2.Juli mit ihrem deutschen Amtskollegen Peter Ramsauer den Staatsvertrag abgeschlossen hat, den die Parlamente beider Länder noch ratifizieren müssen.
Am heutigen "Fluglärmgipfel" in Bern geht es vor allem um die Frage, wie der Staatsvertrag umgesetzt werden könnte. Zu verteilen sind die jährlich rund 20\'000 Anflüge, die wegen der ausgedehnten Beschränkungen des süddeutschen Luftraums ab 2020 zusätzlich nicht mehr über Südbaden auf den Flughafen geführt werden können. Mit anderen Worten: Auf der Traktandenliste stehen heute unter anderem der gekröpfte Nordanflug und die Ostanflüge, die forciert werden sollen.
Der Flughafen Zürich hat bereits klar gemacht, welche Betriebsvariante er favorisiert. An einer Pressekonferenz vor den Sommerferien bezeichnete der Verwaltungsratspräsident Andreas Schmid die Einführung des gekröpften Nordanflugs als "ein Muss". Er stellt sich die Umsetzung so vor: Unter der Woche soll während der Sperrzeiten von 6 bis 6.30 Uhr mit dem "Gekröpften" von Norden und von 18 bis 23.30 Uhr von Osten angeflogen werden. Technisch sei der gekröpfte Nordanflug umsetzbar, Kapazitätsprobleme gebe es in den dreissig Minuten am Morgen früh auch nicht. Ob die Anflugvariante über den Aargau entlang des Rheins auch am Wochenende die Südanflüge ersetzen könne, sei noch unklar, meinte Schmid. Da die Sperrzeit dann von 6 bis 9 Uhr dauert, könne es Kapazitäts-Engpässe geben. Die Grundhaltung des Flughafens brachte der CEO Thomas Kern deutlich zum Ausdruck: "Wir wollen der Verteilung des Fluglärms Einhalt gebieten, indem wir die Anflüge bestmöglich über Norden kanalisieren, wo am wenigsten Menschen leben."
Dieses Konzept wird heute für heftige Diskussionen sorgen. Unter den Kantonen, die sich in der "Erklärung von Kloten" zwar auf Sachlickeit in diesem Dossier verpflichtet haben, und den Bürgerorganisationen ist bereits heftiger Streit entflammt. Der Kanton Aargau wehrt sich vehement gegen den gekröpften Nordanflug. Hans-Martin Plüss, Projektleiter im Aargauer Baudepartement, bezichtigte den Bund des Wortbruchs: Der Aargau habe einer Nordstart-Route über Surbtal, Würenlingen und Bözberg nur zugestimmt, weil er das Versprechen erhalten habe, dass auf den "Gekröpften" verzichtet werde. Die IG Nord, ein Zusammenschluss von 38 Gemeinden aus den Kantonen Zürich, Aargau und Schaffhausen, wehrt gegen eine "Lärmkanalisierung über den Norden". Der Kanton Zürich gibt sich offiziell zurückhaltend. Er wird aber sicherlich die Erwartung einbringen, dass Zürcher Interessen Priorität haben müssten, da im Standortkanton des Flughafens weitaus am meisten Lärmbetroffene leben. Für den Dachverband Fluglärmschutz darf wiederum der Osten nicht geopfert werden.
Was Doris Leuthard heute erwartet, brachte das Komitee Weltoffenes Zürich auf den Punkt: "Ein Betriebskonzept muss auf minimale politische Akzeptanz stossen - da wartet innerschweizerisch eine Herkulesaufgabe."