Die Haltung der parlamentarischen Arbeitsgruppe Flugverkehr könnte im Streit um den Staatsvertrag mit Deutschland richtungsweisend sein: Zum einen sind in der vierköpfigen Gruppe nationale Politiker aus allen grossen Parteien vertreten, zum anderen stammen sie aus allen vier Himmelsrichtungen rund um den Flughafen Zürich. Somit können sie nicht nur die Positionierung der Fraktionen in Bundesbern beeinflussen, sondern auch die direkt betroffenen Kantone, mit deren zuständigen Regierungsräten sie im engen Kontakt stehen. Bei der Gründung der Gruppe im letzten Herbst war das Ziel klar: Für eine Lösung des Konflikts mit Deutschland und den Flughafen Zürich einstehen.
Nun steht zwar seit vergangener Woche eine Lösung in Form eines Staatsvertrages, dieser sorgte mit seinen drei Stunden mehr Flugbewegungen am Abend aber bisher vor allem für Unmut und Zoff. Die Fronten in den Kantonen sind so verhärtet, dass neue Anflug-Varianten wie der gekröpfte Nordanflug schon vor der vertieften Prüfung zu einem medialen Schlagabtausch geführt haben.
Höchste Zeit also für den Arbeitskreis, die Gemüter zu beruhigen und zu vermitteln. Doch die Vorzeichen für das erste Treffen, welches eigentlich in den nächsten Tagen stattfinden soll, sind alles andere als gut. Gruppenmitglied Thomas Hurter (SVP, Schaffhausen) kann aus beruflichen Gründen zurzeit gar nicht erst teilnehmen und Präsident Filippo Leutenegger (FDP/ZH) sieht bis jetzt nicht ein, weshalb er den Staatsvertrag überhaupt unterstützten sollte.
«Lieber zwingen lassen»
So sagte Leutenegger in der Sendung «Sonntalk» auf Tele Züri, dass die Schweiz mit einer einseitigen Verfügung Deutschlands wohl nicht schlechter fahren würde, als mit dem von Bundesrätin Doris Leuthard ausgehandelten Staatsvertrag. «Lieber lasse ich mich von den Deutschen zu etwas zwingen als von der eigenen Bundesrätin», sagte Leutenegger.
Das ausgerechnet der Präsident des kompromissorientierten Arbeitskreises Flugverkehr eine solche Aussage macht, kommt bei seinen Kollegen nicht gut an. «Es ist schon sehr billig, jetzt zu sagen, dass man sich lieber etwas aufzwingen lässt», sagt SVP-Nationalrat Hurter gegenüber 20 Minuten Online. Klar sei es eine grosse Kröte, die die Schweiz und die betroffenen Regionen schlucken müssten, doch es gehe jetzt darum, Lösungen zu finden und nicht schon im Voraus gewisse Optionen zum Killerkriterium zu erklären. Damit spricht Hurter auch das Thema gekröpfter Nordanflug an, der vor allem zwischen dem Aargau und Zürich für rote Köpfe sorgt. «Die Arbeitsgruppe muss sich dafür einsetzen, dass nicht eine Region gegen eine andere ausgespielt wird und dass der Lärm fair unter den Kantonen aufgeteilt wird.»
«Kleinster gemeinsamer Nenner»
Doch damit zeigt sich schon das nächste Problem, das die Gruppe bewältigen muss. Unter «fairer Aufteilung», verstehen die Mitglieder alle etwas anderes. Während für Leutenegger und Hurter der gekröpfte Nordanflug klar auch geprüft werden soll, stellt sich das Aargauer Gruppenmitglied Ruth Humbel (CVP) quer: «Der Aargau trägt heute schon 60 Prozent der Abflüge, mehr verträgt es eigentlich nicht.» Ausserdem berge eine zusätzliche Fluglinie über ein Kernkraftwerk ein grosses Gefährdungspotential.
Diese Gefährdung sieht auch das vierte Gruppenmitglied Edith Graf-Litscher (SP) aus dem Kanton Thurgau. Jedoch will auch sie nicht, dass statt dem Aargau die Bewohner im Osten in den sensiblen Zeiten am Abend und am Sonntag stärker belastet werden. Die beiden Frauen geben zu, dass unter diesen Vorraussetzungen und Leuteneggers Aussagen ein Kompromiss in der Gruppe wohl schwierig zu finden sein wird. «Ein kleinster gemeinsamer Nenner müsste aber möglich sein», sagt Humbel. Dieser Meinung ist auch Graf-Litscher. «Wir haben die Gruppe gegründet, um gemeinsame Lösungen zu suchen, nicht um gegenseitig aufeinander rumzuhacken», so die SP-Nationalrätin.
Das sieht auch Leutenegger so. Er glaubt nicht, dass seine Haltung zum Staatsvertrag die Gespräche in der Gruppe erschweren. Man müsse jetzt erst einmal die richtigen Fragen stellen, bevor man Entscheidungen fälle. Für ihn sei aber nach wie vor klar: «Ein Diktat ist mir lieber als ein fauler Vertrag.»
Kommentar VFSN: Eigentlich müsste sich Herr Leutenegger über seine drei inkonsequenten Kollegen nerven: Man kann nicht für den Staatsvertrag sein und gleichzeitig weniger Lärm in seiner Region haben wollen. Es sei denn man schiebt allen Lärm in das dichtest besiedelte Gebiet ab, das Gebiet welches Herr Leutenegger vertritt...