Die Pisten 28 und 32 sollen verlängert werden, damit auch schwere Maschinen problemlos von Osten anfliegen und nach Norden starten können. Dieser Ausbau ist im am Montag vorgestellten Staatsvertrag zwischen der Schweiz und Deutschland definiert. Der Osten sieht sich deswegen bereits als Verlierer, in der Annahme, dass das Zürcher Volk mit den Stimmen aus dem bevölkerungsreichen Süden den Ausbau durchwinken wird – und den Osten als Hauptroute für die zusätzlich zu übernehmenden Anflüge installiert, namentlich für die Anflugwelle zwischen 18 und 20 Uhr abends (siehe Grafik). Ob es zu einer Volksabstimmung kommt, ist allerdings nicht sicher. Denn sowohl die Zürcher Regierung, die ihre Stellungnahme in der zweiten Wochenhälfte abgibt, als auch der Kantonsrat könnten den Ausbau definitiv stoppen.
Ausbauverzicht hätte Folgen
Für ein Ausbaugesuch muss der Flughafen den Segen der Zürcher Regierung haben. Verweigert sie ihn, ist das Projekt vom Tisch. Spricht sie sich für die Pistenverlängerungen aus, kommt das Geschäft in den Kantonsrat. Dort ist die Spielanlage die gleiche: Stellt sich das Parlament quer, muss der Ausbau ad acta gelegt werden. Nur ein Ja wäre referendumsfähig. Mit anderen Worten: Die gleiche Allianz im Parlament, die im Jahr 2009 mit 100 zu 64 Stimmen ein Pistenausbau-Moratorium beschlossen hat und erst vom Volk zurückgepfiffen wurde, könnte den Ausbau blockieren. Ein solcher Entscheid hätte aber Konsequenzen, wie Daniel Göring, Sprecher des Bundesamtes für Zivilluftfahrt (Bazl), sagt: «Das würde bedeuten, dass alle Flüge, die dann nicht über Osten geführt werden könnten, über Süden abgewickelt oder gestrichen werden müssten – mit grossen Konsequenzen auf die Kapazität des Flughafens.»
Im Dilemma sind vor allem die bürgerlichen Parteien. Aus der SVP und der FDP stimmten 2009 17 «Abweichler» für ein Pistenmoratorium. SVP-Fraktionschef Jürg Trachsel meint, es werde auch dieses Mal schwierig, die Reihen zu schliessen; der Wohnort präge die Meinung stärker als das Parteibuch. Kommt hinzu, dass der von vielen als unfair empfundene Kompromiss mit Deutschland nicht gerade hilft, die Abtrünnigen auf Kurs zu bringen. So spricht die kantonale SVP in einer Mitteilung von einer Kapitulation vor Deutschland. Die Frage nach einem Pistenausbau stelle sich gar nicht, weil der Staatsvertrag abzulehnen sei, schreibt die Partei. SVP-Kantonsrat Lorenz Habicher sagt sogar: «Was Bundesrätin Leuthard da vorlegt, ist Landesverrat.»
Flughafen nicht blockieren
Im Zwiespalt ist FDP-Fraktionschef Thomas Vogel. Einerseits hält er Kraftmeierei für kontraproduktiv: «Wenn einseitige Verschärfungen erlassen würden, wäre der Scherbenhaufen komplett.» Andererseits sei es bitter, eine halbe Milliarde Franken für einen Pistenausbau zu investieren, der vielen Anwohnern in der Schweiz zugunsten Deutschlands mehr Lärm bringt. In der Güterabwägung tendiert Vogel dazu, sich, «wenn auch knurrend, für einen Flughafen auszusprechen, der sich entwickeln und die bedeutende Infrastruktur bleiben kann, die er heute ist.» Seine Fraktionskollegin Gabriela Winkler neigt eher dazu, den Pistenausbau abzulehnen: «Das Diktat, die Ostanflüge zu forcieren, ist zu happig.»
Auch in der CVP werde es in dieser Frage hoch zu und her gehen, sagt Fraktionschef Philipp Kutter. Er fordert die Forcierung des satellitengestützten gekröpften Nordanflugs. Dies unterstützt Benno Scherrer Moser, Fraktionschef der Grünliberalen. Ein Pistenausbau sei mit seiner Fraktion nicht zu machen. Als «ziemlich sauer» bezeichnet sich der Grüne Kantonsrat Robert Brunner. Er meint: «Wir werden uns mit Händen und Füssen gegen Pistenausbauten wehren.» SP-Kantonsrat Ruedi Lais, hält die Wahrscheinlichkeit, dass der Staatsvertrag umgesetzt werde, für minimal. Insbesondere der Pistenausbau und der gekröpfte Nordanflug würden den politischen Prozess nicht überleben, meint er. Lais findet: «Diese Sackgasse müsste der Flughafen nun zum Anlass nehmen, kleinere Brötchen zu backen. Er soll international erreichbar sein – aber kein europäisches Drehkreuz des Weltluftverkehrs.»