Gegen ein deutsches Diktat (NZZ)

Publiziert von VFSNinfo am
Umstrittene Fluglärm-Erklärung

Der Arbeitskreis Flugverkehr erachtet die Davoser Absichtserklärung zur Lösung des Fluglärmstreits als einseitig. Der Vorstand der Schweizer Parlamentariergruppe hat nun seinerseits Eckpunkte für einen fairen Staatsvertrag definiert.

asü. 

 Am Rande des WEF haben der deutsche Verkehrsminister Peter Ramsauer und die Schweizer Bundesrätin Doris Leuthard Ende Januar in Davos eine Absichtserklärung zur Lösung des Konflikts um die Anflüge auf Zürich unterzeichnet. Sie dient als Grundlage für die Verhandlungen, die im Sommer 2012 in einen Staatsvertrag münden sollen. Die Schweiz verpflichtet sich in der Erklärung unter anderem dazu, die Zahl der Anflüge über Süddeutschland zu reduzieren. Als Gegenleistung erhofft sich Leuthard eine Lockerung der heutigen Anflugbeschränkungen in den Tagesrandstunden.

Verhärtete Fronten

Die Reaktionen auf die Absichtserklärung zeigten, wie verhärtet die Fronten sind. In Süddeutschland wurde Ramsauer vorgeworfen, er opfere die Region Schwarzwald. In einer breit abgestützten Resolution hielten die Süddeutschen fest, dass für sie die Forderungen der Stuttgarter Erklärung unverhandelbar seien – also die Reduktion der Anflüge auf maximal 80 000 jährlich, die strikte Beibehaltung der heutigen Sperrzeiten und die Abschaffung des Warteraums Rilax bei Donaueschingen (NZZ 7. 2. 12). Bedachte Stimmen wie jene aus Kreisen der südbadischen FDP waren bis heute kaum zu vernehmen.

Der Arbeitskreis Flugverkehr (AFV), der Parlamentarier aus den Kantonen Zürich, Aargau, Schaffhausen und Thurgau vereint, taxiert die Absichtserklärung auch als einseitig – allerdings zulasten der Schweiz. Das Davoser Dokument tauge nicht als Grundlage für einen fairen Staatsvertrag, schreibt der vom FDP-Nationalrat Filippo Leutenegger präsidierte AFV in einer am Sonntag verschickten Medienmitteilung. Der Vorstand des Arbeitskreises, in dem auch Edith Graf-Litscher (sp., Thurgau), Ruth Humbel (cvp., Aargau) und Thomas Hurter (svp., Schaffhausen) sitzen, postuliert zudem Eckpunkte, «welche ein Staatsvertrag erfüllen müsste, um im Parlament eine Mehrheit zu finden».

Lange Wunschliste

Die Kernforderungen der Schweizer Parlamentarier sind, dass die Flexibilisierung der Anflüge über deutsches Gebiet in den Morgen- und Abendstunden Teil des Staatsvertrages wird und dass die Gesamtlärmbelastung die Grundlage darstellt für Massnahmen wie eine zahlenmässige Beschränkung der Anflüge über Süddeutschland. Die in der Absichtserklärung enthaltene Zusage, deutsche Taxis könnten am Flughafen Zürich ohne Einschränkungen operieren, müsse zudem gestrichen werden.

Nicht in Frage kommt für den AFV, dass der deutschen Bevölkerung in Bezug auf die Flughafenentwicklung die gleiche Rechts- und Verfahrensstellung wie der Schweizer Bevölkerung eingeräumt werde; laut der Davoser Absichtserklärung soll dies angestrebt werden. Weiter auf die Staatsvertrag-Wunschliste setzt der AFV, dass das Entgegenkommen Deutschlands in einigen Verkehrsprojekten festgeschrieben werden müsse – so beim Neat-Anschluss und bei der Linienführung der A 98, zudem müsse der Lärm deutscher Güterzüge auf der Bodenseelinie reduziert werden.

NZZ, 05.03.2012