Fluglärm: Berlin machte massiv Druck (SoZ)

Publiziert von VFSNinfo am
Leuthard musste GAU für Flughafen abwenden

Die Absichtserklärung zwischen der Schweiz und Deutschland im Fluglärmstreit ist kein «Durchbruch», sondern das Dokument eines erpresserisch anmutenden Akts aus Berlin:   Bundesrätin Doris Leuthard musste ihrem deutschen Kontrahenten, Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer, die ganze Verhandlungsmasse auf den Tisch werfen, um in letzter Minute den GAU für den Flughafen Zürich abzuwenden. Es drohte akut die einseitige Verschärfung der sogenannten Durchführungsverordnung (DVO) durch die Bundesregierung, also die Drosselung der Anflüge über deutsches Gebiet von 100 000 auf 80 000 pro Jahr.

In das offizielle Papier, das Leuthard und Ramsauer unterschrieben und vorletzten Freitag in Davos präsentiert haben, flossen unter dem Damoklesschwert der einseitigen Verschärfung denn auch massive Zugeständnisse an Deutschland ein. So steht darin explizit: «Die Schweiz reduziert die Zahl der Anflüge auf den Flughafen Zürich über deutsches Staatsgebiet.» Eine weitere Rosine für die nördlichen Nachbarn: Deutschen Taxifahrern soll freie Fahrt nach Zürich-Kloten gewährt werden. Ein Affront gegenüber dem Zürcher Taxigewerbe.

Süddeutscher «Taliban» in der Verhandlungsdelegation?

Das wesentliche Angebot Berlins an die Schweiz, das Leuthard an der Pressekonferenz ausführte, fehlt allerdings in der «grundsätzlichen Einigung»: In Davos betonte die CVP-Magistratin nicht ohne Stolz, dass Deutschland mehr Anflüge über sein Staatsgebiet in den Morgen- und Abendstunden zulassen würde. Doch davon ist im Papier nirgends die Rede.

Recherchen der SonntagsZeitung zeigen: Leuthard wollte den Punkt sehr wohl schriftlich in der Erklärung, hat aber schliesslich das Tauziehen mit Ramsauer verloren. Das berichten mehrere Quellen. Demnach hat die Verkehrsministerin ihren Amtskollegen darum gebeten, die Sache zumindest an der Pressekonferenz vorzubringen. «Tun Sie, was Sie nicht lassen können», soll der Bundesminister jovial geantwortet haben. «Kein Kommentar», heisst es auf Anfrage dazu bei Leuthards Departement. Immerhin setzte die Schweiz (mit Beihilfe von Swiss-CEO Harry Hohmeister) durch, dass die Zahl der Anflüge dereinst angepasst werden kann, sollten die Flugzeuge leiser werden.

Die Parteien müssen nun im Eiltempo ihre Verhandlungsgruppen formieren. «Es wird derzeit eine Delegation zusammengestellt», sagt Leuthards Sprecherin Annetta Bundi. Erwartungsgemäss wird Leuthard dem Gesamtbundesrat in den nächsten Tagen die Namen unterbreiten.

Für die Schweiz ist entscheidend, ob Ramsauer einen der von Leuthard als «Taliban» bezeichneten Süddeutschen als Vertreter in die Verhandlungen schickt. Baden-Württemberg macht derzeit massiv Druck in Berlin, dass ein Politiker der Region wie der Landshuter Landrat Tilman Bollacher mit dabei ist. Im Bundesverkehrsministerium gibt es Signale, dass Ramsauer nachgeben könnte.

SonntagsZeitung, 05.02.2012


Kommentar VFSN: Worin besteht der Unterschied ob uns 80\'000 Bewegungen per DVO aufgezwungen werden oder ob sie "ausgehandelt" und per Staatsvertrag festgeschrieben werden? Wie kann man also durch einen Staatsvertrag den GAU abwenden? Indem man auch noch den Taxifahrern freien Zugang verspricht? Die Klausel, dass die Zahlen angepasst werden sollten die Flugzeuge leiser werden, ist ein schlechter Witz: DIe Flugzeuge wurden seit 2001 leiser - aber die Bewegungen über Süddeutschland sollen trotzdem nochmals massiv reduziert werden.