Herr Ungricht, die Swiss hat mit 15,3 Millionen Passagieren den Rekord der Swissair aus dem Jahr 2000 übertroffen. Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Gründe für den Erfolg?
Zunächst natürlich das grössere Angebot, sprich: mehr Flugzeuge. Und im Jahr 2010 hatte der Vulkanausbruch in Island noch auf die Passagierzahlen gedrückt. Der Erfolg ist aber auch auf die noch immer gute Konjunktur zurückzuführen. Und vergessen wir nicht: Die Swiss hat eine ausgezeichnete Reputation, keine Streiks, ist pünktlich und bietet guten Service. Da ist man auch bereit, vielleicht ein paar Franken mehr zu zahlen.
Die Auslastung ist mit 81,8 Prozent zwar unter den Rekordwert des letzten Jahres gesunken, aber immer noch gut. Doch «volle Maschinen bedeuten noch nicht volle Kassen», heisst es bei der Pressestelle der Swiss …
Das ist richtig: Entscheidend ist der Ertrag pro Sitz. Oft werden ja Passagiere mit Sonderpreisen geködert, was die Statistik schönt, aber den Ertrag mindert. Trotzdem ist der Sitzladefaktor ein guter Indikator. Er zeigt, dass das Streckennetz der Swiss gut durchdacht ist und die Airline im Vergleich zur europäischen Konkurrenz erfolgreich ist.
Die Finanzresultate für 2011 werden Mitte März bekannt gegeben. Wie schätzen Sie die Chancen ein, dass der erfolgreiche Betrieb sich in Gewinn ummünzen liess?
Ich bin überzeugt, dass die Swiss wiederum ein positives Ergebnis abliefern wird. Vielleicht aber im Vergleich zu den vorherigen Jahren etwas gemindert, weil die Kosten im Betrieb höher liegen dürften, zum Beispiel für das Personal oder Kerosin.
Die Erträge pro Passagier sind bei vielen Airlines im Europageschäft mager – während die Langstrecke generell als rentabler gilt. In welchen Regionen würden Sie für die Swiss Chancen auf Wachstum sehen?
Ja, im Europageschäft herrscht starke Konkurrenz wie auf der Strecke nach London, die von mehreren Airlines bedient wird. Für die Swiss ist dieses Geschäft aber auch als Zubringer für die Langstreckenflüge der eigenen Passagiere wichtig. Das heisst, es muss eine Mischrechnung gemacht werden. Im Langstreckenverkehr sehe ich drei Hauptregionen mit Potenzial: Nordamerika, Asien und Afrika. In Nordamerika wären Destinationen wie Washington, Mexiko City oder Atlanta denkbar. Afrika wird im Vergleich zu Swissair-Zeiten relativ schwach bedient. Nigeria zum Beispiel läuft bei der Lufthansa sehr gut. Den grössten Zuwachs auf der Langstrecke verzeichnet jedoch Asien. Da sind Frequenzerhöhungen nach China oder neue Destinationen wie Kuala Lumpur, Südkorea oder Taiwan denkbar. Und nicht zu vergessen Indien, wo heute Mumbai und Delhi angeflogen werden.
2012 werden drei Airbus A330-300 in Betrieb genommen – unter anderem für die Verbindung nach Peking und Newark in den USA. Ist das als Anzeichen für eine stärkere Ausrichtung auf Langstrecken zu bewerten?
Ja. Und es ist erfreulich zu sehen, dass die Swiss den Ausbau des Streckennetzes sehr pragmatisch angeht. Anders als beispielsweise Fluggesellschaften aus dem Mittleren Osten.
Als Lufthansa-Tochter und Star-Alliance-Mitglied ist die Swiss in ihrer Strategie nicht unabhängig. Wie schätzen Sie die Bedingungen für Ausweitungen des Angebots ein?
Die Streckennetzplanung wird natürlich immer mit den Partnern der Star Alliance abgestimmt. Ein gutes Beispiel ist Singapore Airlines: Sie bedient Zürich mit dem A380 und ist damit auf dieser Strecke der Platzhirsch.
Der CO2-Emissionshandel, der von der EU einseitig eingeführt worden ist, stösst weltweit auf Kritik. Mehr als die Hälfte der Swiss-Flüge werden in Europa durchgeführt. Müssen die Swiss-Kunden bald mit höheren Preisen rechnen?
Da von diesem Emissionshandel alle Gesellschaften betroffen sind, ist das keine Wettbewerbsverzerrung. Aber ja: Die Preise werden tendenziell steigen, trotz des grossen Preisdrucks durch die Konkurrenz.
Offenbar stösst der Flughafen an seine Grenzen, auch wegen der Zahl der Standplätze für Flugzeuge in Stosszeiten. Liesse sich da kurzfristig Abhilfe schaffen?
Nicht nur die Standplätze, auch das Anflugregime und die Pistenanordnung, die Kreuzungen beim Rollen nötig macht, bringen den Flughafen an seine Kapazitätsgrenzen. Kurzfristig schafft nur der Einsatz grösserer Flugzeuge Abhilfe, weil er die Anzahl Flüge reduziert. Diese Tendenz ist schon im Gange.
Flughafen-Chef Thomas Kern sprach vor Journalisten davon, die Spitzenbelastung entweder zu «verbreitern» oder eine neue Spitze in das System einzubauen. Wie könnte das geschehen?
Heute gibt es drei Wellen: am Morgen, über Mittag und am Abend. An den Tagesrandflügen kann wenig geändert werden, die Kunden wünschen das so. Aber eine gleichmässigere Verteilung erhöht natürlich die Kapazitäten. Zürich hat allerdings den Nachteil relativ kurzer Betriebszeiten. Ausländische Flughäfen sind da viel flexibler.
Im Fluglärmstreit mit Deutschland ist keine Lösung absehbar, obwohl das bis Ende 2011 versprochen wurde. Ab wann dürfte das für den Betrieb des Flughafens spürbar werden?
Das hängt von der Entwicklung des Verkehrs ab. Zwar werden, wie gesagt, bereits immer mehr grössere Flugzeuge eingesetzt, doch die Zahl der Flüge wird zunehmen. Geht es in gleichem Masse weiter wie bisher, dann dürfte man in den Jahren 2015/16 an die Grenzen stossen.