Der Abstimmungskampf um die Flughafenvorlagen ändert nichts daran: Die grossen Bürgerorganisationen bekämpfen sich. Martin Bäumle ist mit einem Einigungsversuch gescheitert – und ist entsprechend verärgert.
Andreas Schürer
Den Zürcher Oberländern wird derzeit besondere Aufmerksamkeit zuteil: Im Abstimmungskampf um die Flughafenvorlagen steht ihr Wohlergehen im Fokus. Die Vereine «Bürgerprotest Fluglärm Ost» (BFO) und «Flugschneise Süd – Nein» (VFSN) nehmen beide für sich in Anspruch, dass nur sie wissen, was für die Ustermer und Wetziker gut ist. Und sie sind sicher, dass die Empfehlungen der jeweils anderen Organisation dem Oberland einen veritablen Lärmteppich bescheren würden.
Der BFO warnt die Oberländer vor einem Nein zur Behördeninitiative, die Aus- und Neubauten von Pisten am Flughafen Zürich verhindern will. Ein Nein würde den Plänen für eine Verlängerung der Ostpiste Vorschub leisten, was zu mehr Ostanflügen führen würde, mahnt der BFO. Heute wird von 21 bis etwa 23 Uhr beziehungsweise am Wochenende von 20 bis zirka 23 Uhr von Osten her angeflogen. Im Raum steht aber die Einführung der sogenannten Variante «J opt», die – mit Pistenverlängerungen notabene – Nordstarts und Ostanflüge vorsieht, und zwar nicht nur abends, sondern zusätzlich von 10 bis 16 Uhr. Im Sachplan Infrastruktur Luftfahrt (SIL), den der Bundesrat voraussichtlich nächstes Jahr verabschieden wird, ist die Variante «J opt» enthalten, und sie wird vom Flughafen favorisiert. Fritz Kauf, Co-Präsident des BFO, warnt: «Das Oberland müsste dann acht statt zwei Stunden pro Tag Ostanflüge aushalten – es würde zur Lärmwüste.»
Der VFSN dagegen mahnt, dass die Variante «J opt» für das Oberland das kleinere Übel sei. Um die stündliche Spitzenkapazität zu optimieren, sei der Flughafen nämlich auf ein kreuzungsfreies Regime angewiesen. Falls ein solches nicht mit Nordstarts und Ostlandungen realisiert werden könne, würde bald auf Südstarts geradeaus und Nordlandungen ausgewichen, prognostiziert der VFSN-Präsident Thomas Morf. Diese Südstarts, die auch über Dübendorf, Volketswil und Uster führten, seien viel lauter als die Ostanflüge: «Für das Oberland wäre dieses Szenario verheerend», sagt Morf. Der BFO kontert, dies sei Angstmacherei – ein solches Regime sei im SIL gar nicht vorgesehen.
Flyer-Aktion im Oberland
Die Flughafenlobby kann sich die Hände reiben. Denn die beiden Bürgerorganisationen zerfleischen sich gegenseitig. Der BFO schreibt auf seiner Homepage unter dem Titel «Das Oberland wird verlieren»: «Hören Sie nicht auf die Goldküstenvertreter vom VFSN, denn denen geht es nur darum, ihren Fluglärm ins Oberland abzuschieben.» In den nächsten Tagen verschickt der BFO einen Flyer in alle Haushalte der Bezirke Uster, Hinwil und Pfäffikon, in dem dies weiter ausgeführt wird. Der Tenor: «Zur Schonung der Goldküste soll das Oberland geopfert werden.»
Enttäuschter Martin Bäumle
Der VFSN seinerseits bezeichnet die Behördeninitiative als «Egoisten-Initiative», mit der die Südanflüge zementiert und eine Verlagerung des Fluglärms erreicht werden solle. Die Variante «J opt» würde nachgewiesenermassen am wenigsten Menschen mit Fluglärm belasten. Die Behördeninitiative habe einzig zum Ziel, einen künftigen Entwurf für dieses sinnvolle Betriebsregime zu verhindern, kritisiert Morf. Ohnehin gehe es dem BFO seit zehn Jahren vor allem darum, dass auch der Süden von Fluglärm belastet sei: «Die kämpfen mehr gegen uns als gegen den Fluglärm.» Der VFSN selber beschränkt sich im Abstimmungskampf aber auch fast gänzlich darauf, gegen die Behördeninitiative anzutreten. Den eigenen Gegenvorschlag vertritt er nur halbherzig.
Ein Ärgernis ist dieser Kampf der Regionen für Martin Bäumle (glp.), Nationalrat und Stadtrat von Dübendorf. Bäumle hatte hinter den Kulissen intensiv darauf hingearbeitet, dass der BFO und der VFSN im Abstimmungskampf gemeinsam auftreten. Bäumles Strategie lautete: Alle Fluglärmorganisationen kämpfen im Sinne einer ökonomisch und ökologisch verträglichen Entwicklung des Flughafens für ein doppeltes Ja, die regionalen Interessen sollten erst bei der Stichfrage zum Zug kommen. Im Osten und Norden fand Bäumle Gehör, nicht aber im Süden. Das sei sehr enttäuschend, denn jetzt würden sich die Regionen weiter gegeneinander ausspielen. Der Profiteur dieser Sankt-Florians-Politik sei der Flughafen, meint Bäumle: «Der kann gelassen zuschauen, wie sich die Bürgerorganisationen gegenseitig schaden – und munter weiter ausbauen.»
Kommentar VFSN:
- Gab es Fluglärm im Oberland, bevor die Südanflüge eingeführt wurden - NEIN!
- Wer hat gebetsmühlenartig immer Südanflüge gefordert? Der gleiche Bürgerverein aus dem Osten, der jetzt behauptet, er habe sich schon immer für die Interessen der BürgerInnen im Oberland eingesetzt. Peinlich!
- Die Oberländer sind klever genug um selber zu wissen, was sie wollen.
Dazu brauchen sie keine Fluglärmverteiler als "Retter".