Von Patrick Feuz, Bern
Vom Parlament zum raschen Kauf neuer Kampfflugzeuge gedrängt, wird der Bundesrat Anfang Dezember entscheiden, welches der drei evaluierten Flugzeuge erworben werden soll. Neben technischer Leistungskraft und Kaufpreis werden beim Entscheid voraussichtlich politische Erwägungen eine Rolle spielen. So fordern mehrere Sicherheitspolitiker den Bundesrat auf, die Kampfjetbeschaffung allenfalls mit dem Fluglärmstreit mit Deutschland zu verknüpfen. Falls sich der Bundesrat für den Eurofighter des deutsch geprägten EADS-Konzerns entscheide, «erwarte ich von den Deutschen ein Entgegenkommen» beim Anflugregime für den Flughafen Zürich, sagt FDP-Nationalrat Peter Malama.
Auch SVP-Sicherheitspolitiker Thomas Hurter verlangt, die Flughafenfrage müsse in die Entscheidungsfindung «einfliessen». Zwar will er keine «unerfüllbaren Hoffnungen» wecken, denn im Moment sei die Bevölkerung von Baden-Württemberg nicht bereit, sich im Fluglärmstreit zu bewegen. Trotzdem müsse Verkehrsministerin Doris Leuthard die Möglichkeit prüfen, via Jetbeschaffung und damit durch «nachhaltige Beziehungen» gewisse «politische Gegenleistungen» für ihre Dossiers herauszuholen.
Die Wahl des Flugzeugtyps ist auch deshalb von politischer Bedeutung, weil die Schweiz damit festlegt, von wem sie sich in den nächsten Jahrzehnten bei der technischen Weiterentwicklung der Luftwaffe abhängig macht. Max Ungricht, Chefredaktor der Fachzeitschrift «Cockpit», warnt davor, den Rafale des französischen Herstellers Dassault zu kaufen, der bisher noch keine einzige Maschine exportieren konnte. «Wir würden so total abhängig von den Wünschen der französischen Luftwaffe und den Launen französischer Regierungen», sagt Ungricht.
Tages-Anzeiger, 03.11.2011, Seite 1
Politiker wollen mit Kampfjetkauf die Deutschen unter Druck setzen
Bei der Wahl des Flugzeugtyps spielen politische Überlegungen mit.
Verteidigungsminister Ueli Maurer ist ein umworbener Mann. Am nächsten Dienstag wird ihm sein deutscher Amtskollege Thomas de Maizière die Vorzüge des Eurofighters darlegen – jenes Kampfflugzeugs, das der EADS-Konzern der Schweiz verkaufen will. Vergangene Woche reiste bereits der französische Verteidigungsminister Gérard Longuet nach Bern und lobbyierte für den Rafale der Firma Dassault. Der zuständige Minister Schwedens hatte schon früher angeklopft, um für den Gripen von Saab zu werben.
Die Nervosität unter den drei Anbietern wächst, denn Anfang Dezember entscheidet der Bundesrat – vom Parlament im Herbst überraschend zum raschen Jetkauf gedrängt –, welches Flugzeug zum Zug kommen soll.
Bei den Testflügen in Emmen hat der Rafale am besten abgeschnitten, wie mehrere Quellen bestätigen. Diese Tests liegen aber mehr als zwei Jahre zurück. In den überarbeiteten, vor wenigen Tagen eingereichten Offerten haben die Konkurrenten technisch aufgeholt: Der Eurofighter verfüge beispielsweise über ein verbessertes Radar und der Gripen über mehr Kraft dank neuem Triebwerk, sagen Insider.
Auch beim Preis sind die Unterschiede nicht mehr so markant wie in der ersten Runde. Als leistungsschwächster Jet bleibt der Gripen zwar der günstigste, doch Eurofighter und Rafale sind dank Eurorabatt nicht mehr so teuer wie bisher. Alle drei Anbieter brauchen dringend einen Verkaufserfolg, alle drei haben deshalb ihre Offerten nachgebessert. Das günstigste Angebot für 22 Jets beläuft sich inzwischen auf 3 Milliarden, das teuerste auf 4 Milliarden Franken, wie Ueli Maurer in einem Interview mit der «Neuen Zürcher Zeitung» sagte.
«Möglichst viel herausholen»
Bei der Typenwahl spielen jetzt aber in der Schlussphase auch politische Erwägungen mit. Mehrere Sicherheitspolitiker fordern den Bundesrat auf, die Kampfjetbeschaffung allenfalls mit dem Fluglärmstreit mit Deutschland zu verknüpfen. «Es ist völlig legitim, wenn wir versuchen, politisch möglichst viel für die Schweiz herauszuholen», sagt etwa FDP-Nationalrat Peter Malama. Falls sich der Bundesrat für den Eurofighter entscheide, «erwarte ich von den Deutschen ein Entgegenkommen» beim Anflugregime für den Flughafen Zürich.
Auch SVP-Nationalrat Thomas Hurter verlangt, die Flughafenfrage müsse in die Entscheidungsfindung «einfliessen». Die Überlegung dahinter: Dem stark deutsch geprägten EADS-Konsortium wird grosser Einfluss auf die Bundesregierung in Berlin nachgesagt. Die Schweiz könnte deshalb in den Kaufverhandlungen für den Eurofighter auf eine Lösung im Fluglärmstreit drängen und zudem fordern, dass die Zugverbindung Zürich–Stuttgart verbessert und die deutschen Neat-Anschlüsse zügig gebaut werden.
Zwar will SVP-Sicherheitspolitiker und Pilot Hurter keine «unerfüllbaren Hoffnungen» wecken. Denn im Moment sei die Bevölkerung von Baden-Württemberg nicht bereit, sich im Fluglärmstreit zu bewegen. Trotzdem müsse Verkehrsministerin Doris Leuthard aber die Möglichkeit prüfen, via Jetbeschaffung und damit auch durch «nachhaltige Beziehungen» gewisse «politische Gegenleistungen» für ihre Dossiers herauszuholen.
Schweden könnte Luft ausgehen
Generell ist die Wahl des Flugzeugtyps weit politischer, als sie auf den ersten Blick erscheint: Die Schweiz legt damit fest, mit wem sie in den nächsten vierzig Jahren bei der Weiterentwicklung ihrer Flugwaffe zusammenarbeitet – und damit auch, von wem sie sich abhängig macht. Dem EADS-Konsortium mit deutscher, italienischer, britischer und spanischer Beteiligung sagen Experten im harten Wettbewerb auf dem Rüstungsgütermarkt einen langen Atem voraus; gleichzeitig verweisen sie auf die schwerfälligen Abläufe im komplizierten Gebilde. Wie lange dagegen Schweden noch die Kraft haben wird, mit dem Gripen ein eigenes Kampfjetprogramm durchzuziehen, ist in der Fachwelt umstritten. Umgekehrt gehen Kenner der Szene davon aus, dass das selbstbewusste Frankreich wohl immer dafür sorgen wird, das Überleben des Flugzeugherstellers Dassault zu sichern. Allerdings wäre die Schweiz vorderhand der einzige Rafale-Partner, denn bisher konnten die Franzosen ihren Kampfjet keinem anderen Land verkaufen.
«Riskante Nähe» zu PR-Agentur
«Das wäre die totale Abhängigkeit», warnt Max Ungricht, Chefredaktor der Fachzeitschrift «Cockpit», vor dem Rafale. In seinen Augen spricht politisch noch ein weiterer Grund gegen das Flugzeug: die «Nähe» der im Dienst von Dassault stehenden PR-Agentur Farner zum Verteidigungsminister, wie er sagt. Mit Jean-Blaise Defago stehe dem VBS-Chef ein ehemaliger Farner-Mann «ganz eng zur Seite, während Maurers ehemaliger Mitstreiter und heutiger SVP-Generalsekretär Martin Baltisser ebendort bis 2009 in der Geschäftsleitung sass». Diese «Nähe», so Ungricht, wäre in einer Volksabstimmung über den Kampfjetkauf «der finale Stolperstein».
Tages-Anzeiger, 03.11.2011, Seite 5