Im Fluglärmstreit hat Deutschland vor den Sommerferien den Druck auf die Schweiz stark erhöht. Die neue grün-rote Regierung Baden-Württembergs forderte mit Nachdruck, dass die heutigen Beschränkungen verschärft und die Zahl der Anflüge auf den Flughafen Zürich über Süddeutschland von heute über 100 000 auf 80 000 pro Jahr reduziert wird. &id Zusätzliches Gewicht erhielt diese Forderung, weil der CDU-Bundestagsabgeordnete Siegfried Kauder erreichte, dass der Bundestag eine entsprechende Petition an das Verkehrsministerium überwies. Nichts wissen wollen die Regierung in Stuttgart und Siegfried Kauder davon, die tatsächliche Lärmbelastung anstatt der Anzahl anfliegender Flugzeuge als Basis für die Verhandlungen zu nehmen.
Mit Spannung wurde angesichts dieser verworrenen Lage erwartet, wie sich der Bruder Siegfried Kauders, der CDU/CSU-Fraktions-Chef im Deutschen Bundestag, Volker Kauder, zum Thema äussert. Auf Einladung der CVP referierten er und Bundesrätin Doris Leuthard am Montag an einer Veranstaltung in Zürich über das Thema «Schweiz und Deutschland – gemeinsame Herausforderungen und Chancen».
«Wir haben Verantwortung»
Das Fazit vorneweg: Volker Kauder schlug zunächst versöhnliche Töne an. «Die kleinkarierte Streiterei muss aufhören», forderte er. Er beobachte mit Sorge, dass Abu Dhabi ständig ausbaue und Flughäfen in der Schweiz und in Deutschland vom Streit um Fluglärm blockiert würden. «Wir haben eine Verantwortung dafür, die Infrastruktur für das Wachstum nutzbar zu machen.» Diese versöhnlichen Worte kamen zwar in den CVP-Ohren gut an, blieben aber reichlich vage. Konkrete Forderungen, geschweige denn konkrete Lösungsvorschläge blieb Kauder schuldig.
Deutlicher wurde Bundesrätin Doris Leuthard. Der Streit um den Flughafen schlage dem Fass den Boden heraus. «Langsam verliere ich die Geduld», sagte Leuthard, weil «Taliban» ständig die Lösungssuche blockierten. An Volker Kauder richtete sie die Aufforderung: «Gehen Sie bitte einmal mit Ihrem Bruder ein Bier trinken.» Die von beiden Ländern gemeinsam in Auftrag gegebene Lärmanalyse habe ergeben, dass die Schweiz keinen rechtlich relevanten Fluglärm exportiere. Dies müsse in Deutschland endlich zur Kenntnis genommen werden und in die laufenden Gespräche einfliessen. Bis Ende Jahr müsse auf der Basis dieser Lärmanalyse eine Lösung gefunden werden.
Lärmbelastung entscheidend
In der anschliessenden Podiumsdiskussion entgegnete Kauder, sein Bruder habe eine eigenständige Haltung, aber Sippenhaft gebe es nicht; und als Talib könne man ihn sicher nicht bezeichnen. «Er vertritt die Interessen der Bürger in seiner Region; in Zürich kann er ja nicht für den Deutschen Bundestag kandidieren.» Ohne konkreter werden zu wollen, bekräftigte er erneut: «Wir müssen einen Kompromiss finden, damit dieses Reizthema bald vom Tisch ist.» Auf die Frage, ob für ihn die Zahl der Anflüge oder die effektive Lärmbelastung entscheidend sei, gab es für die Schweizer Seite doch noch ein zählbares Zückerchen: «Es kommt auf die Lärmbelastung an», sagte Kauder. Er bezeichnete sich als «Freund der Innovation»: Wenn Flugzeuge leiser würden, müsse dies auch belohnt werden.
siehe auch :
Leuthards Worte empören Deutschland (TA)
Taktischer Taliban-Vergleich (BaZ)
Die Taliban, die den Flughafen torpedieren (20min)
Frust über frühere Versäumnisse (TA)
Leuthard entschuldigt sich für Taliban-Vergleich (TA)