Bereits jetzt lanciert die Swiss den Kampf gegen die Flughafen-Vorlagen – und sie scheut dafür keine Mühe. Bis zur Abstimmung im November geht sie jedes Wochenende mit einem VW-Bus auf Tournee. Am Samstag stoppte sie im Oberland.
Andreas Schürer
Mit Flyern, Stoff-Flugzeugen und «Swiss»-Schokolade in den Händen spricht Christoph Casparis vor dem Migros in Rüti die Leute an. «Darf ich Ihnen den Tag versüssen?», fragt er eine Dame. «Nein», antwortet diese schroff. Eine nächste lässt sich ebenfalls auf keine Diskussion über die Flughafen-Abstimmung ein, aber der VW-Bus mit Baujahr 1967, mit dem Casparis und seine drei Kolleginnen und Kollegen vorgefahren sind, hat es ihr angetan: «Jesses, ist der herzig.» Bei Rolf von Arx, 71, der für die Swissair als Mechaniker gearbeitet hat, rennt der Swiss-Rechtsdienst-Mitarbeiter Casparis offene Türen ein: «Alle schimpfen über den Fluglärm, aber fliegen wollen doch alle.» Auch er bekommt eine Schokolade.
Kampf für ein doppeltes Nein
Ungewöhnlich früh und mit ungewöhnlich grossem Aufwand steigt die Swiss in den Abstimmungskampf. Die Fluggesellschaft, die über die Hälfte des Flugverkehrs in Zürich bewältigt, wäre von weiteren Einschränkungen besonders stark betroffen. Bis am Samstag, 26. November, dem Tag vor der Abstimmung, werden Swiss-Mitarbeiter und Vertreter der Personalverbände mit dem VW-Bus jeden Samstag durch den Kanton touren und versuchen, die Leute zu einem doppelten Nein zu bewegen: Nein zu der von 42 Gemeinden unterstützten Behördeninitiative, die den Aus- und Neubau von Pisten verunmöglichen will, und Nein zum Gegenvorschlag der Südanflug-Gegner, die zudem Schnellabrollwege und nach dem Jahr 2000 eingeführte Flugrouten über dichtbesiedeltem Gebiet verbieten wollen, sprich die Südanflüge.
Für Jürg Dinner, der die VW-Bus-Aktion leitet, bedrohen sowohl die Initiative wie der Gegenvorschlag die erfolgreiche Entwicklung der Swiss sowie den Lebens- und Wirtschaftsraum Zürich allgemein. Deshalb reiche es für die Swiss bei dieser zentralen Abstimmung nicht aus, Kampagnen mitzufinanzieren. Dinner sagt: «Wir leisten diesen einmaligen Effort, weil viele Leute gar nicht wissen, was auf dem Spiel steht.» Jetzt eine Blockade festzulegen, sei unsinnig und unnötig, da sowieso jeder Pistenausbau vom Volk bewilligt werden müsse.
In Rüti geniessen die Swiss-Mitarbeiter einen ruhigen Morgen. Die grosse Mehrheit der Passanten stimmt ihren Argumenten zu. Der Amsterdamer Maurice Koenis, der seit fünf Jahren in Rüti lebt, hört zwar im Sommer bei offenem Fenster die Südanflüge, aber es stört ihn nicht. Gieri Hinnen von der Umwelt- und Politik-Abteilung der Swiss erklärt ihm, ein doppeltes Nein bedeutete nicht, dass der Flughafen sofort ausgebaut würde – aber es hiesse, dass man sich diese Option offenhalten würde. Koenis stimmt zu und staunt über die Charmeoffensive der Swiss: «In Amsterdam ist das Fluglärm-Thema noch viel emotionaler – die holländische Fluggesellschaft KLM könnte so eine Aktion niemals durchführen.»
Distanz zu Mega-Hub-Plänen
Die Swiss-Mitarbeiter sind offensichtlich bedacht darauf, sich von Mega-Hub-Plänen abzugrenzen. Flight-Attendant Fabienne Voirol sagt einer Passantin: «Die Swissair-Zeiten sind vorbei, wir wollen kein unbeschränktes Wachstum. Aber wir wollen auch nicht, dass man für die nächsten 30 Jahre alles blockiert.» Gerda Dürr nimmt den gereichten Flyer dankend entgegen. Sie bemängelt, dass die Abstimmungsvorlage wieder so «verwirrend ist mit Initiative und Gegenvorschlag». Kritik anhören müssen sich die Swiss-Mitarbeiter nur von einem Passanten: Er macht sie auch für den Fluglärm des Militärflugplatzes Dübendorf verantwortlich.
Ein anderer nutzt die Gunst der Stunde, die Frage zu stellen, die ihn mehr umtreibt als die Abstimmungsvorlagen: Ob er eigentlich während eines Fluges das Handy im Flugmodus anstellen dürfe. Ja, erklärt Hinnen, nur bei Start und Landung nicht. Casparis wundert sich nicht, dass er und seine Kollegen hier in Rüti vor allem Zuspruch erfahren. «Je weiter weg der Flughafen, desto offener ist man für unsere Anliegen.» In solchen Orten zu mobilisieren, sei ein wichtiges Ziel ihrer Abstimmungskampagne: «Wir wollen erreichen, dass diese Leute auch abstimmen gehen.»
Mit dem VW-Bus vorfahren werden die Swiss-Mitarbeiter in allen Zürcher Bezirken. Der Bus, im originalen Swiss-Weiss bemalt, mit einem A320 und mit Klebern der 72 Städtedestinationen verziert, soll in rund 40 Gemeinden haltmachen – und als emotional positiv bewerteter Hingucker für positive Grundstimmung sorgen. Bewilligungsprobleme hätten sie kaum, sagt Projektleiter Dinner; nur die Stadt Wetzikon habe ohne Begründung einen Halt des «Swiss-Fan-Mobils» verboten. In der Regel sind fünf Swiss-Arbeiter an Bord des nostalgischen Busses, und ausser in der Hochsaison im Sommer ist jeweils auch ein Pilot dabei. Die Route ist laut Dinner so geplant, dass sie in allen Bezirken in die bevölkerungsstärksten Gemeinden führt – nächsten Samstag nach Regensdorf, Rümlang und Niederhasli. Die letzten Halte auf der Tournee des «Swiss-Fan-Mobils» sind am 19. November in Zollikon, Küsnacht und Meilen sowie am 26. November in der Stadt Zürich.
«Ich stimme dagegen»
Eine zuvor noch unentschlossene Stimmbürgerin hat die Swiss am Samstag bereits für sich gewonnen. Kim Kurt, mit ihrem Söhnchen Illyas in Rüti am Einkaufen. Flight-Attendant Voirol erklärt ihr, dass Fluglärm-Gegner «uns Steine in den Weg legen wollen, so dass Zürich zu einem Provinzflughafen wird». Kim Kurt meint: «Das ist daneben, ich will auch in die Ferien fliegen und im Duty-free shoppen – also Sie haben mich überzeugt, ich stimme dagegen.»