Innerhalb nur eines Jahres ist bei Roche die Flugkilometerzahl um 20 Prozent auf insgesamt 160 Millionen Kilometer gestiegen. Entsprechend haben die Flugkosten beim Pharmakonzern seit dem zweiten Halbjahr 2009 von 48 auf 58 Millionen Franken zugenommen. «Manchmal habe ich das Gefühl, dass das Reisen zu exzessiv gehandhabt werde», findet Martin Studer, Chef des Umweltschutzes bei Roche.
Voraussichtlich nur wenige betroffen
Das soll sich nun ändern: In Zukunft sollen sich Roche-Manager für Geschäftsreisen statt ins Flugzeug in die Bahn setzen. Dies bei Destinationen innerhalb Europas, wenn diese mit dem Zug von Basel aus in fünf Stunden erreichbar sind. Dazu zählen vor allem die europäischen Metropolen Paris, Lyon, Mailand oder Frankfurt. Darauf angesprochen sagt Roche-Sprecherin Silvia Dobry: «Das Reisereglement ist derzeit in Revision. Es ist noch nichts verabschiedet.»
Laut angedacht hatte die Flugeinschränkungen Christoph Zimmerli, Leiter Reisen beim Pharmaunternehmen. Die Massnahme beträfe voraussichtlich nur wenige Roche-Manager. Laut Zimmerli verzeichnet der Konzern von Basel aus zwar weit über 20 \'000 Geschäftsflüge. Ein Drittel davon aber entfalle auf eine kleine Anzahl Mitarbeiter. Nur 70 bis 80 Mitarbeiter kommen laut Zimmerli auf mehr als 20 geschäftliche Flugreisen pro Jahr. Einer der Hauptgründe der häufigeren Flugreisen sei die Integration von Genentech.
Spardruck wird nicht kleiner
Dennoch: Die deutliche Zunahme an Flugkilometern widerspricht dem Ziel von Roche, den Energieverbrauch pro Mitarbeiter bis 2014 um zehn Prozent zu senken. Die steigenden Flugkosten wiederum stehen im Widerspruch zum Spardruck bei Roche, dem zum Beispiel in den nächsten zwei Jahren weltweit 4800 Arbeitsplätze zum Opfer fallen werden, 530 davon in der Schweiz.
Erst letzte Woche hat Roche einen Rückschlag in den USA erlitten, dem mit 38 Prozent Anteil wichtigsten Markt für die Pharmadivision: Die US-Behörde Food and Drug Administration (FDA) entzog dem Roche-Blockbuster Avastin die Zulassung für die Behandlung von Brustkrebs. Roche hat angekündigt, man werde diesen Entscheid anfechten.
Über 20 Prozent verloren
Letztes Jahr hat Roche mit Avastin rund 6 Milliarden Dollar eingenommen; im ersten Halbjahr 2010 steuerte Avastin 3,4 Milliarden Franken zum Gesamtumsatz von 25 Milliarden Franken bei – fast ein Siebtel. Unberührt vom FDA-Brustkrebsentscheid ist die Behandlung mit Avastin bei Dickdarm-, Lungen- und Nierenkrebs in den USA. Auch bei Brustkrebs können Ärzte Avastin weiterhin anwenden – allerdings «off label», weshalb fraglich ist, ob Krankenversicherungen die Therapiekosten von rund 88\'000 Dollar ersetzen werden.
Skeptisch gegenüber Avastin ist nebst der FDA auch die europäische Arzneimittelbehörde: Zwar ist der Roche-Kassenschlager in Kombination mit einem Chemotherapiemittel zur Behandlung von Brustkrebs zugelassen, nicht aber in anderen Kombinationen. Laut Schätzungen sollen die Behördenentscheide zu Avastin den Pharmakonzern rund 1 Milliarde Franken kosten. Gestern notierte der Roche-Genussschein zu Börsenschluss bei 138.20 Franken. Er verlor damit seit Anfang Jahr über 20 Prozent.
Auch Tamiflu bleibt umstritten
Letzte Woche musste Roche einen weiteren Rückschlag im öffentlichen Ansehen hinnehmen: Wie «Tages-Anzeiger» und «Süddeutsche Zeitung» berichtet haben, behauptet ein internationales Gutachterteam der «Cochrane Collaboration» – ein Netzwerk von Wissenschaftlern, das systematische Übersichtsarbeiten zur Bewertung medizinischer Therapien erstellt –, dass das Grippemittel Tamiflu keine schweren Komplikationen wie Lungenentzündung verhindern könne. Umgekehrt seien dafür die Nebenwirkungen gravierender als bisher bekannt.
Ab nächstem Jahr will Roche seinen Verwaltungsrat mit Wirtschaftsprominenz erweitern und hat entsprechend Schwergewichte für die Wahl nominiert. Die nominierten Konzernchefs sind Peter Voser (Shell), Paul Bulcke (Nestlé) und Lufthansa-Chef Christoph Franz. Nebst ihrem eigentlichen Salär werden sie als Roche-Verwaltungsrat zusätzlich mindestens 300\'000 Franken pro Jahr verdienen.