Kanton will auf dem Militärflugplatz eine Zukunft ohne Flugbetrieb (TA)

Publiziert von VFSNinfo am
Dübendorf - Für den Regierungsrat ist der Flugplatz Dübendorf zu wertvoll, um nur für die Fliegerei genutzt zu werden. Zieht die Luftwaffe wie geplant 2014 ab, will er dort das Uni-Spital, Forschungslabors oder Betriebe aus der Leichtindustrie ansiedeln.

Dübendorf – Geht es nach dem Willen des Zürcher Regierungsrats, sind die Tage der Fliegerei in Dübendorf gezählt. An ihrer Stelle soll eine Sondernutzung von nationaler Bedeutung treten. Denkbar ist für den Regierungsrat die Ansiedlung von Forschungslabors, Unternehmen der Leichtindustrie oder der Bau eines neuen Uni-Spitals. «Der Flugplatz Dübendorf ist für den Lebensund Wirtschaftsraum Zürich von strategischer Bedeutung», erklärte Regierungsrat Markus Kägi (SVP) gestern an einer Medienorientierung. Das 230 Hektaren grosse Areal soll darum nicht einfach mit Wohnungen und Industriegebäuden überbaut werden, sondern einer wirtschaftlich hochwertigen Nutzung dienen. Gebaut werden soll vornehmlich im Westen des Geländes, also auf Dübendorfer und Wangen-Brüttiseller Boden. Der östliche Teil ist für weniger intensive Nutzungen vorgesehen. Ob zivil oder militärisch, ist offen. Der Regierungsrat schliesst einen Waffenplatz nicht aus. Nicht betroffen von einer Stilllegung des Flugplatzes wäre die Rega. Sie kann mit Helikoptern weiterhin von Dübendorf aus fliegen.

5000 statt 300 Arbeitsplätze

Mit dem heutigen Entscheid des Regierungsrats geht eine zweijährige Testplanung zu Ende. Neben dem Kanton waren Vertreter von Bund, Zürcher Planungsgruppe Glattal, den Anliegergemeinden Dübendorf, Volketswil und Wangen-Brüttisellen sowie Fachleute involviert. Dass sich der Regierungsrat für eine neue und gegen den Fortbestand einer aviatischen Nutzung des Flugplatzes ausspricht, hat verschiedene Gründe.

Ein wichtiges Argument für eine neue Nutzung des Geländes sind die Arbeitsplätze. Zwar wurden in der Testplanung auch Varianten mit Flugbetrieb geprüft. Das Resultat spricht laut Kägi aber klar zugunsten einer alternativen Nutzung. Zum einen darum, weil ein Business-Flugplatz mindestens 80 000 Starts und Landungen benötigt, um rentabel zu sein. Bei mehr als 40 000 Flugbewegungen in Dübendorf muss aber der Luftraum des Flughafens Zürich und des Flugplatzes Dübendorf neu organisiert werden, weil die Kapazität begrenzt ist. Zum anderen schafft ein Werkflugplatz laut Testplanung maximal 300 Arbeitsplätze, eine andere Nutzung aber bis zu 5000. Auch für den Flughafen Zürich brächte eine Auslagerung der Privatfliegerei nach Dübendorf nur eine kleine Kapazitätssteigerung. Die regierungsrätliche Planung rechnet mit höchstens 15 000 zusätzlichen Starts und Landungen von Linienflügen pro Jahr. Laut Markus Kägi verfügt Kloten zudem über Möglichkeiten, die Nachfrage nach Geschäftsflügen auf dem eigenen Areal zu steuern, etwa über Gebühren. Eine Auslagerung der Business-Fliegerei sei nicht die einzige Lösung der Kapazitätsprobleme. Gegen den Fortbestand der Fliegerei in Dübendorf sprechen für den Regierungsrat auch raumplanerische Argumente. Zum Beispiel der Lärm. Würde weiterhin geflogen, könnten Dübendorf, Volketswil und Wangen-Brüttisellen in der Nähe des Flugplatzes kaum mehr bauen. Die Planungs- und Rechtsunsicherheit würde fortbestehen. Heute gelten im Flugplatzbereich noch immer die Lärmgrenzwerte von vor 2005, als noch Kampfjets in Dübendorf starteten und landeten. Solange das Militär den Flugplatz braucht, hat die Bevölkerung zur Nutzung nichts zu sagen. Das findet der Regierungsrat stossend. Würde das Gelände zivil genutzt, hätte zumindest der Kantonsrat ein Wörtchen mitzureden, wenn der Richtplan angepasst wird.

Der Regierungsrat ist laut Markus Kägi entschlossen, beim Bund Druck zu machen. «Wir erwarten einen Bundesentscheid bis spätestens zum Abschluss des laufenden Richtplanverfahrens voraussichtlich 2012.»

Verlängerung der Glattalbahn

5000 neue Arbeitsplätze würden die Region zwar beleben – aber auch für viel zusätzlichen Pendlerverkehr sorgen. Dessen seien sich die Planer bewusst, sagte Kantonsplaner Wilhelm Natrup. Um den Mehrverkehr zu bewältigen, soll einerseits die Glattalbahn von der Giessenkreuzung über den Bahnhof Dübendorf bis in die Wangenstrasse verlängert werden. Gleichzeitig sei der Ausbau des Autobahnanschlusses in Wangen unausweichlich.

Der Regierungsrat wird nun beim Bund den Verzicht auf die künftige aviatische Nutzung des Flugplatzes Dübendorf beantragen. Ob das Gelände überhaupt anders als heute genutzt werden kann, hängt aber vom definitiven Stationierungskonzept der Luftwaffe ab. Dieses ist nicht vor Ende 2010 zu erwarten. Gegenwärtig ist vorgesehen, dass die Luftwaffe den Flugplatz Dübendorf noch bis 2014 für Helikopter- und Transportflüge nutzt und dann abzieht.

Unabhängig davon, was künftig auf dem Flugplatz passiert, will der Regierungsrat den Lärmkataster an den heutigen Betrieb anpassen. Das bedeutet, dass die Grenzwerte sinken und in Flugplatznähe nicht mehr nur Garagen und Industriehallen gebaut werden können.

Tages-Anzeiger, 04.06.2010



Reaktionen zum Regierungsratsentscheid

Freude bei Ruedi Noser, Ärger bei Militärfreunden

Dübendorf – Zufrieden mit den regierungsrätlichen Zukunftsplänen ist FDPNationalrat Ruedi Noser. «Ich bin stolz auf die Regierung», sagt der Promotor eines nationalen Innovationsparks. «Sie hat einen zukunftsgerichteten Entscheid gefällt.» Nosers Freude wird auch nicht durch die Tatsache getrübt, dass dereinst ein anderes Projekt wie der Neubau des Universitätsspitals «seinem» Innovationspark vorgezogen werden könnte. «Wichtig ist, dass die richtigen Betriebe um einen solchen Kern herum angesiedelt werden.» Wie man das mache, zeige Lausanne mit seinem neuen ETH-Gelände.

Erfreut ist auch der Dübendorfer SPKantonsrat Peter Anderegg. «Die Weichen sind richtig gestellt», sagt er stellvertretend für die parlamentarische Gruppe «Innovationszentrum Glattal», der auch der Dübendorfer GLP-Kantonsrat Thomas Maier sowie Jean-Luc Cornaz (FDP, Winkel) angehören. Der Regierungsrat anerkenne damit die Wichtigkeit des Wirtschaftsstandorts Zürich und damit auch der Schweiz. «Wir erwarten nun vom Bundesrat, dass er seine ursprüngliche Absicht bekräftigt, den Flugplatz Dübendorf aufzugeben.»

«Die Anliegergemeinden begrüssen den Entscheid grundsätzlich», sagt Dübendorfs Stadtpräsident Lothar Ziörjen (BDP). Werde er umgesetzt, könne das «Wachstum der Region Glattal gezielt und strukturiert» weitergeführt werden. Mit der Verlängerung der Glattalbahn werde das Gebiet auch vorbildlich mit dem öffentlichen Verkehr erschlossen.

Enttäuscht ist Peter Bosshard. «Der Regierungsrat ist da vorgeprescht und hat seine eigenen Bedenken in den Wind geschlagen», ärgert sich der Präsident des Forums Flugplatz Dübendorf. Bosshard erinnert an die regierungsrätliche Stellungnahme vom 26. Januar 2005 an den damaligen VBS-Chef. Darin hatte sich die Zürcher Regierung für eine effiziente Versorgung der Ostschweizer Kantone im Katastrophenund Krisenfall ausgesprochen, die nur mit einem nahen Militärflugplatz sichergestellt werden könne. «Es gibt auch keinen Grund für die Eile», findet er. «Der Regierungsrat will das letzte Kleinod in einer völlig verbauten Gegend dem Mammon zuliebe zupflastern. Damit nimmt er künftigen Generationen Handlungsspielraum.»

Unzufrieden mit der Entwicklung ist auch der Dübendorfer SVP-Kantonsrat Orlando Wyss. «Der Regierungsrat tut so, als ob er entscheiden könne. Dabei hängt alles vom VBS in Bern ab», schüttelt er den Kopf. Befremdet habe ihn auch die Aussage des Dübendorfer Stadtpräsidenten. «Wenn Lothar Ziörjen behauptet, die Standortgemeinden begrüssten den Entscheid, dann lehnt er sich sehr weit aus dem Fenster.» Es gebe in der Region sehr wohl starke Kräfte, die die weitere aviatische Nutzung des Areals befürworteten. «Für innovative Firmen brauchen wir dieses Gelände nicht, denn es gibt genügend Platz für sie in der Region.» (arb)