Frankfurt. Mit Zahlen kennt sich Horst Weise aus. Der Vorsitzende des privaten Deutschen Fluglärmdienstes (DFLD) hat Mathematik und Informatik studiert und betreut 370 Fluglärm-Messstationen in ganz Europa. Das Flugverbot nach dem Ausbruch des Vulkans Eyjafjallajökull war für ihn ein «Geschenk des Himmels». Bescherte es doch vier fast flugverkehrsfreie Tage – und Messungen, die so schnell wohl nicht mehr möglich sein werden.
Schon wenige Tage später nach der Wiederaufnahme des Flugbetriebs sprach Weise von einem überraschend starkem Rückgang der Lärmwerte (FNP berichtete). Jetzt hat er die Daten von 17 Messstationen in einem 50 mal 30 Kilometer großen Gebiet rund um den Frankfurter Flughafen detailliert ausgewertet.
Das Ergebnis hätte er so nicht erwartet. Über alle vier Tage gerechnet ist der Fluglärm an den 17 Messstellen im Schnitt um 8,2 Dezibel gesunken. «Das ist sehr viel, wenn man bedenkt, dass eine Steigerung um zehn Dezibel einer Verzehnfachung des Lärms entspricht», sagte Weise gestern bei der Vorstellung der Daten auf Einladung der FAG-Fraktion im Römer.
Anders gerechnet: Der Lärm ist um 84 Prozent gesunken. An elf der 17 untersuchten Stationen lag die Reduktion sogar bei mehr als 90 Prozent (siehe auch Messwerte rechts). «Dabei haben wir sehr konservativ gerechnet und Störeinflüsse nicht eliminiert», betonte Weise. Der Anteil des Fluglärms an der gesamten Lärmbelastung liege an den untersuchten Stationen bei mehr als 80 Prozent. Wenn der Flugverkehr wegfalle, werde das von den Betroffenen ungefähr wie eine Halbierung des Lärms wahrgenommen.
Rainer Rahn, Fraktionschef der Flughafenausbaugegner im Römer, fordert weitere Untersuchungen unter Verwendung der neu gewonnenen Daten. «Da wir jetzt den Anteil des Lärms kennen, können wir erstmals berechnen, wie groß das zusätzliche Erkrankungsrisiko durch den Flugverkehr ist», sagte er. Das Stadtparlament habe auf Antrag der FAG-Fraktion den Magistrat bereits beauftragt, zusammen mit den Umland-Gemeinden eine Untersuchung zu den gesundheitlichen Auswirkungen des Fluglärms zu initiieren. Rahn rechnet mit Kosten zwischen 500\'000 und einer Million Euro.
Eine derartige Studie hätte eigentlich schon vor der Entscheidung über den Flughafenausbau erstellt werden müssen, meint der FAG-Fraktionschef. «Dann hätte man abwägen können, ob man für den zu erwartende Nutzen die Schäden in Kauf nehmen möchte.» Es werde immer nur von den positiven Aspekten des Flughafenausbaus gesprochen, die negativen Effekte aber würden ausgeblendet.
Der Mediziner Prof. Eberhard Greiser schätzt, dass 1,7 Millionen Menschen in der Rhein-Main-Region wegen des Fluglärms einem erhöhten Gesundheitsrisiko ausgesetzt sind. Da Greisers Ansatz umstritten ist, soll nach dem Willen des Stadtparlaments zunächst bei einer Expertenanhörung der Aufbau einer neuen Studie geklärt werden.