Seit dem Scheitern eines Staatsvertrages im Jahre 2003 behindert Deutschland mit Sperrzeiten die Anflüge aus Norden auf den Flughafen Zürich. Bundesrat Leuenberger wird bei seinem heutigen Treffen mit dem deutschen Verkehrsminister einmal mehr versuchen, Bewegung in die starren Fronten zu bringen.
bbu. Seit bald sieben Jahren gelten für die Nordanflüge auf den Flughafen Zürich Sperrzeiten, die 2003 einseitig von Deutschland verhängt worden sind. Die Regierung in Berlin reagierte damit auf das Scheitern eines von Bundesrat Leuenberger ausgehandelten Staatsvertrages im Nationalrat.
Der Betrieb des grössten Flughafens der Schweiz konnte in der Folge nur mit der Einführung der Süd- und Ostanflüge sichergestellt werden, die dichtbesiedelten Gebieten die Beschallung mit Fluglärm vor allem am Morgen und Abend brachten. Seither bemüht sich die Schweiz erfolglos um eine Wiederaufnahme der Verhandlungen, um eine neue Regelung zu erreichen.
Bern beschritt wegen der Blockadehaltung der deutschen Seite auch unkonventionelle Wege, indem es unter Berufung auf das bilaterale Luftverkehrsabkommen Schweiz - EU an die EU-Kommission und auch an den EU-Gerichtshof gelangte. Die Argumentation war dabei immer dieselbe: Die deutschen Beschränkungen seien rückgängig zu machen, weil sie unverhältnismässig und gegenüber der Schweiz diskriminierend seien. Diese Anstrengungen blieben aber ebenso erfolglos wie wiederholte Gesprächsangebote an Berlin.
Merkel gegen Paketlösung
Neue Hoffnung setzte man dann Anfang 2008 in Bern auf den ersten Besuch von Bundeskanzlerin Merkel in der Schweiz. Die Rede war im Vorfeld davon, den Fluglärmstreit im Rahmen eines Gesamtpakets mit anderen Dossiers zu verbinden und der deutschen Seite eine Lösung auf diese Weise schmackhaft zu machen. Merkel erteilte diese Hoffnungen allerdings eine klare Abfuhr. Einziges greifbares Ergebnis war, dass Deutschland und die Schweiz sich einigten, die Fluglärmbelastung um Kloten neu messen.
Keine Überschreitungen
Nachdem diese Messungen aber gezeigt hatten, dass im Südschwarzwald durch die Zürich anfliegenden Flugzeuge keine Lärmgrenzwerte überschritten werden, kamen von Politikern im süddeutschen Grenzgebiet geharnischte Reaktionen. Nachdem sie über Jahre hinweg das Gegenteil behauptet hatten, empörten sie sich nun darüber, dass man diese eindeutigen Resultate in der Schweiz als Grundlage für eine Lockerung der einseitigen deutschen Verordnung (DVO) interpretierte und forderten die Regierung in Berlin zur Unnachgiebigkeit auf.
Gleichzeitig wurden auf Schweizer Seite im sogenannten SIL-Prozess, der die zukünftigen Betriebsvarianten des Flughafens Zürich entscheiden soll, drei Varianten erarbeitet. Eine Nordausrichtung gehörte dabei zu der favorisierten Lösung, obschon man erklärtermassen die Verhandlungen mit Deutschland nicht präjudizieren wollte.
Pistenverlängerung gegen Lockerung
Ende 2008 erklärte Bundesrat Leuenberger, dass er auch fünf Jahre nach dem ersten Südanflug die Hoffnung auf eine neue Lösung mit Deutschland noch nicht aufgegeben habe. Unter anderem zeigte er sich überzeugt, dass sich mit einem klaren Bekenntnis zur Verlängerung der Ost-West-Piste in Kloten eine Lockerung der Überflugverbote erwirken liesse. Leuenberger konstatierte als Hoffnungszeichen, dass von deutscher Seite eigentlich nur etwas nicht zur Diskussion stehe: Nämlich die DVO ersatzlos aufzuheben.
Verlagerung in den Morgenstunden
Bei einem Auftritt in Süddeutschland sagte Leuenberger im Januar dieses Jahres dann, eine Lösung im Fluglärmstreit sei nur möglich, wenn beide Seiten Bereitschaft zeigten, sich zu bewegen. Genau davon ist auf deutscher Seite bis jetzt allerdings kaum etwas zu spüren. Über die Umrisse der Verhandlungsposition, welche die Schweiz Deutschland präsentieren will, sagte Leuenberger nichts.
Auch die Sprecher des Uvek und des Bundesamts für Zivilluftfahrt wollten dazu nicht Stellung nehmen. Es seien noch keine Verhandlungen im Gang, sagte ein Sprecher des Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation auf Anfrage. Es gehe am Montag lediglich darum, «auf Ministerebene die Handbremse zu lösen», damit dann die Gespräche auf technischer Ebene beginnen könnten. Beobachter gehen davon aus, dass die Schweiz versuchen wird, wenigstens die frühmorgendlichen Südanflüge zwischen 6 und 7 Uhr zurück in den Norden zu verlagern.
Keine konzilianten Signale aus Berlin
Seit dem Amtsantritt der neuen Koalition in Bern hat sich Leuenbergers neuer Amtskollege, der deutsche Verkehrsminister Peter Ramsauer, bisher wenig konziliant geäussert. Die Zürcher «Landzeitung» zitierte Anfang 2010 aus einem Schreiben Ramsauers an einen süddeutschen CDU-Bundestagsabgeordneten. Man werde die süddeutschen Anliegen wie bisher unterstützen, heisst es darin ominös. «Für die deutsche Seite kommen nur Lösungsvorschläge in Frage, die insgesamt betrachtet auch Verbesserungen für die Interessen der deutschen Seite bringen», so Ramsauer.