Der Bund favorisiert im SIL-Prozess am Flughafen Zürich zwei Varianten ohne DVO, eine davon mit Pistenverlängerungen. Bis eine Lösung mit Deutschland gefunden ist, will man auch von Süden und allenfalls «gekröpft» von Norden her anfliegen lassen.
Adrian Krebs, Bern
Nach unzähligen Sitzungsstunden und einem imposanten Papierverbrauch hat der Bund am Dienstag seinen Variantenentscheid zum Sachplan Infrastruktur Luftfahrt (SIL) präsentiert. Dieser Termin brachte nur noch wenige Überraschungen: Das Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) befürwortet die gleichen drei Varianten, die schon im provisorischen Schlussbericht vom vergangenen August obenaus geschwungen waren.
Selbstbewusstes Bazl
Am überraschendsten war vielleicht, wie selbstbewusst der Direktor des Bundesamts für Zivilluftfahrt (Bazl), Peter Müller, die Varianten E optimiert und J optimiert in den Vordergrund stellte. Diese beiden Anflugregime orientieren sich weitestgehend an den Zuständen, wie sie vor der einseitig verhängten deutschen Verordnung (DVO) zur Jahrtausendwende geherrscht haben. Der Flugbetrieb ist darin schwergewichtig nach Osten und Norden ausgerichtet, und die Südanflüge sind darin nicht vorgesehen.
Müller ist, was die anstehenden Verhandlungen mit Deutschland angeht, offenbar optimistisch. Er bestätigte, dass die Schweiz eine neue Lösung anpeilt, bei der in der ersten Morgenstunde wieder von Norden angeflogen werden könnte. Weitere Details wollte Müller vor den Verhandlungen nicht preisgeben. Dieser Ansatz kontrastiert mit der am Montag aus Süddeutschland placierten Forderung nach einer weiteren Verschärfung der DVO (NZZ 15. 12. 09). Müller erklärte aber, seines Wissens habe der neue deutsche Verkehrsminister die Klagen vom Südrand des Territoriums zwar entgegengenommen, aber noch keinerlei Zugeständnisse gemacht.
Die Vernehmlassung, die dem gestrigen Termin vorausging, hat am Variantenentscheid nur noch kosmetische Änderungen zur Folge gehabt. Weder ist man auf die Forderungen nach einer Sistierung des Prozesses eingegangen, noch wurde auf die für schlechte Wetterlagen reservierten Südanflüge und -abflüge geradeaus verzichtet. Auch die Streichung des gekröpften Nordanflugs war kein Thema. Andere Anregungen aus der Vernehmlassung betrachtet der Bund als prüfenswert. Dort, wo lärmdämmende Bauarten zum Einsatz kämen, könnte man die Bau- und Einzonungs-Verbote bei Grenzwertüberschreitungen allenfalls lockern, sagte der Bazl-Direktor. Weitere Anliegen aus der Konsultation zum Entwurf des Schlussberichts werde das Amt später im Zusammenhang mit dem Bewilligungsprozess für ein neues Betriebsreglement prüfen. Insgesamt habe man versucht, den Ausgleich zwischen den Interessen von Luftfahrtindustrie und lärmbelasteter Bevölkerung zu finden. Bis spätestens im kommenden Februar will das Amt nun ein Objektblatt vorlegen. Dieses geht dann in die öffentliche Auflage. Begleitet wird es dabei von den jeweiligen Richtplänen in den beteiligten Kantonen, da die beiden raumplanerischen Regelwerke harmonieren müssen. Der Abschluss des Prozesses ist für 2012 vorgesehen. Dannzumal soll der Bundesrat das Objektblatt Zürich verabschieden und die kantonalen Richtpläne genehmigen.
Schelte für das Bazl
Trotz der Absicht, ausgleichend zu wirken, war das Echo auf den Bazl-Entscheid fast durchwegs negativ. Flughafen-Sprecherin Sonja Zöchling sagte, wegen des 2008 beschlossenen Verzichts auf die raumplanerische Sicherung von Parallelpisten werde der Flughafen 2020 an die Kapazitätsgrenze stossen. Von den bestehenden bevorzuge man Variante J optimiert, da sie am wenigsten Menschen belärme.
Der Behördenverband IG Nord beklagte, dass der Bund mit Variante J optimiert die Bedürfnisse der Gemeinden ausser acht lasse. Das Fluglärmforum Süd forderte rechtsverbindliche Garantien, dass Südanflüge geradeaus nur bei Schlechtwetter zum Zuge kommen. Der Verein Flugschneise Süd – Nein spricht vom Ende eines Lügen-Marathons. Die DVO diene nur als Vorwand, um Südanflüge und Südabflüge geradeaus ganztägig zu etablieren. Der Bürgerprotest Fluglärm Ost wiederum hält den Entscheid für ein Weihnachtsgeschenk an Süddeutschland, während die Grünen dem Uvek vorwerfen, es betätige sich ein weiteres Mal als Handlanger der «Luftfahrtturbos».
siehe auch:
Ende eines Lügenmarathon (VFSN)
Ohne rechtsverbindliche Garantien keine Südstarts, auch nicht in Ausnahmesituationen (Fluglärmforum Süd)
Südschneise: Bald Ruhe am Morgen? (20min)
SIL-Prozess Flughafen Zürich: alle drei Betriebsvarianten bilden Basis für Objektblatt (BAZL)
Neuverhandlungen mit Deutschland nötig (NZZ)