Auf dem Balkon von Ursula und Richard Zaugg hängt ein gelbes Banner: «Flugschneise Süd – Nein» steht darauf. Die Schrift ist etwas verblasst, es fällt schwer, den Slogan zu entziffern. «Die Buchstaben sind zwar verbleicht, unser Ärger ist aber noch genauso gross wie vor sechs Jahren, als es mit den Südanflügen begann», sagt die Männedörflerin Ursula Zaugg. Sie zeigt in den Himmel. Männedorf befinde sich genau auf der Achse zwischen zwei Warteräumen – dort wo die Flugzeuge täglich ihre Kreise ziehen und darauf warten, in Kloten landen zu dürfen.
Die Meinungen der beiden über 70-Jährigen decken sich nicht immer. Während Ursula Zaugg etwas frustriert ist – «alle unsere Aktionen und Bemühungen haben kaum gefruchtet» –, scheint Ehemann Richard zufrieden mit dem Erreichten: «Ohne Widerstand durch unseren Verein Flugschneise Süd – Nein würden sie heute vielleicht den ganzen Tag fliegen.» Im Verein sei man der Meinung, etwas bewirkt zu haben, «aber es ist nicht klar belegbar». Es ist schon etwas ruhiger geworden um die sogenannten Südschneiser, die seit Jahren jegliche Flugbewegung über und um den Zürichsee mit Argwohn beobachten.
Südschneiser sind teils vorbestraft
Der Uetiker Gemeindepräsident Kurt Hänggi vertritt die Interessen des Bezirks Meilen gegenüber Bund und Kanton. Er ist der Ansicht, dass es nach wie vor beide Wege brauche: den eher sachlichen Ansatz der Politik und die emotionale Debatte in der Bevölkerung. «Es ist das Verdienst der Südschneiser, dass die Emotionen über Jahre so hoch gehalten wurden.» Auch Hänggi hat den Eindruck, dass der anfängliche Enthusiasmus etwas der Resignation gewichen ist. Habe er früher wöchentlich mindestens einen Anruf eines unzufriedenen Mitbürgers erhalten, «sind es heute eindeutig weniger».
Ursula und Richard Zaugg lassen sich von diesen Fakten nicht entmutigen, sie sind Schneiser der ersten Stunde: So verweigerten sie die Bezahlung der Bundessteuer, waren bei der Besetzung einer Brücke in Kaiserstuhl dabei, gingen bis vor Bundesgericht und mussten schliesslich für ihren Widerstand bezahlen. «Wir sind jetzt vorbestraft, während Marcel Ospel immer noch unbehelligt herumläuft», sagt Ursula Zaugg, im Gesicht ein schelmisches Lächeln. Der parteienübergreifende Widerstand der Südschneiser sei für sie bis anhin eine gute Erfahrung gewesen. Viele Schneiser hätten zwar politisch das Heu nicht auf der gleichen Bühne wie sie, nach 30 Jahren SP-Klüngel sei das aber erfrischend gewesen, sagt sie.
Aus der SP ist Ursula Zaugg mittlerweile ausgetreten, «weil Genosse Leuenberger weder auf meine Briefe reagierte, noch meinen verloren gegangenen Glauben an den Rechtsstaat wiederherstellen konnte». Ehemann Richard hingegen, ehemaliger SP-Gemeinderat in Männedorf, hat seiner Partei die Treue gehalten.
«Wir hoffen, dass das, was wir sagen, beim Bund irgendwo Gehör findet», sagt der parteilose Hänggi über die letzte konsultative Konferenz vom 21. September, an der sämtliche betroffenen Parteien Stellung zum Sachplan Infrastruktur Luftfahrt (SIL) nehmen konnten. Der Bezirk Meilen habe seine Meinung bei der Anhörung kundgetan und dabei festgestellt, dass das Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl) im provisorischen Schlussbericht zu den An- und Abflugvarianten gegen das wichtigste Grundprinzip verstossen habe: möglichst wenig Leute mit möglichst wenig Lärm zu belästigen.
Die Meinung der Bezirke habe nur konsultativen Charakter. «Weder mit demokratischen noch mit juristischen Mitteln können wir die Entwicklung beeinflussen», sagt der ehemalige Swissair-Pilot. Erst bei der zukünftigen Ausgestaltung des neuen Raumplanungsgesetzes habe man wieder längere Spiesse als bei diesen Anhörungen. «Werden die Grundsätze des SIL-Prozesses nicht eingehalten, werden wir mit allen Mitteln gegen die Beschlüsse ankämpfen, die uns nicht passen», sagt Hänggi.
Bezirk Meilen nimmt neue Vorschläge des Bazl aufs Korn
Im Namen der Gemeindepräsidenten nahm Kurt Hänggi, Delegierter des Bezirks Meilen, zum Schlussbericht Sachplan Infrastruktur Luftfahrt (SIL) des Bundesamts für Zivilluftfahrt (Bazl) vom 7. August 2009 wie folgt Stellung: Ein SIL-Prozess ohne gleichzeitige Verhandlungen mit Deutschland sei unakzeptabel. «Wir sind für eine Sistierung des SIL-Prozesses und haben das auch so kommuniziert», sagt Hänggi. Auf Drängen von Swiss und Unique seien neue Varianten im Schlussbericht aufgetaucht. Störend daran sei, dass die Kapazitätssteigerungen für Flughafen und Swiss in keinem Verhältnis zu den negativen Folgen für die Bevölkerung in dicht besiedelten Gebieten stünden. Die Sicherheitsproblematik werde allgemein zu sehr ausgeblendet. Eine unabhängige Studie habe gezeigt, dass An- und Abflugszenarien im Süden deutlich erhöhte kollektive Risiken aufweisen würden. Die Gemeinden des Bezirks Meilen empfehlen daher eindringlich, die Sicherheitsthematik aus politischer Sicht neu zu beurteilen. Ob es in Zukunft zu Südstarts kommt, habe das Bazl noch nicht entschieden, es werde noch die Vernehmlassung abgewartet. «Meiner Meinung nach ist das eine Taktik des Bazl, um die Südlandungen durchzubringen», sagt Hänggi. Bei den Varianten, wo Südanflüge vorgesehen sind, hoffe man weiterhin auf den gekröpften Nordanflug.