Nach langem Kampf zeigen sich Ermüdungserscheinungen bei den Bürgerinitiativen gegen den Fluglärm. Der Bürgerprotest im Osten will sich 2010 für ein Pistenbauverbot ein letztes Mal aufbäumen, die Fluglärmsolidarität hat sich aus dem Kampf um ihre «Fairflug-Initiative» zurückgezogen. Bei den Schneisern im Süden steigt die Zahl der Resignierten.
ark. Einst schossen sie wie Pilze aus dem Boden. Nach der Jahrtausendwende, als sich die Probleme um den Flughafen akzentuierten und der Lärm zunehmend verteilt wurde, gründeten empörte Bürger zahlreiche Organisationen und Initiativen. Sie organisierten Informationsabende, bei denen Regierungsräte untendurch mussten, sie bastelten Transparente und demonstrierten, sie schrieben Leserbriefe und traten an Medienkonferenzen kämpferisch in Erscheinung. Im Norden entstand Zürcher Unterland gegen Fluglärm (ZUF), im Osten die Fluglärmsolidarität und der Bürgerprotest, im Süden der Verein Flugschneise Süd – Nein (VFSN) sowie Zürich Nord gegen Fluglärm und im Westen schliesslich Rigel 28.
Erlahmter Kampfgeist
Zu Beginn schienen die Energien schier unerschöpflich. Ausgestattet mit farblich abgestimmten Ausrüstungen vom T-Shirt über die Mütze bis zum Regenschirm, versammelte man sich zu Tausenden und gab der Flughafenlobby und der ihr angeblich hörigen Regierung lautstark den Tarif durch. Die Arbeitslast ruhte meist auf den Schultern eines schmalen Vorstands, einzelne Figuren rückten in den Vordergrund und wurden richtiggehende Medienstars, so etwa der Schneiser-Präsident Thomas Morf.
Heute hat sich das Mütchen der Fluglärmgegner gekühlt. Der jahrelange und weitgehend erfolglose Kampf gegen die Entwicklungen am Flughafen hat zu Ermüdungserscheinungen geführt. Drastisch zum Ausdruck kam der erlahmte Kampfgeist kürzlich im Falle der Fluglärmsolidarität, die sich aus dem laufenden und aussichtslosen politischen Abstimmungskampf um ihre «Fairflug-Initiative» zurückgezogen hat und sich künftig auf den grünen Tisch beschränken will.
Auch der vor einigen Jahren aus einer Abspaltung entstandene Bürgerprotest Fluglärm Ost (BFO) werde seine Aktivitäten wegen grosser Arbeitsbelastung für zu wenige Verantwortungsträger stark reduzieren, sagt Co-Präsident Fritz Kauf. Der BFO wolle nun die letzten Kräfte – auch bezüglich Finanzen – auf die voraussichtlich im Juni 2010 stattfindende Abstimmung über die Behördeninitiative zum Pistenbauverbot konzentrieren. Anschliessend werde man unabhängig vom Resultat Bilanz ziehen und die Aktivitäten massiv reduzieren. «Wenn wir gewinnen – wovon ich überzeugt bin –, haben wir unser Ziel erreicht, den Ausbau der Piste 10/28 zu verhindern oder zumindest stark zu verzögern», sagt Kauf, «wenn wir dagegen verlieren, dann müssen wir uns erst recht fragen, was das Ganze noch soll.» Erwogen werden allerhand Möglichkeiten, bis hin zur vollständigen Neubesetzung des Vorstandes.
Wahrscheinlich ist aber eine Art Schlummerzustand, in den auch schon andere Organisationen verfallen sind, zum Beispiel die ZUF. «Wir sind zurzeit nicht aktiv», bestätigt Co-Präsidentin Gabriela Suter. Auch für die Unterländer Organisation sei der Abstimmungskampf zugunsten des Pistenbauverbots nun das nächste grosse Ziel. «Wir müssen dabei aber sehr haushälterisch umgehen mit unseren Kräften», sagt Suter, «jede Stunde zugunsten des Fluglärm-Kampfs bedeutet eine Stunde weniger Freizeit.» Dasselbe gelte natürlich auch für den Einsatz der beschränkten finanziellen Mittel.
Schneiser können noch mobilisieren
Etwas anders gelagert ist die Situation des VFSN. Laut Präsident Thomas Morf verfügt man immer noch über 4700 Mitglieder, die einen Beitrag von 40 Franken einzahlen. Damit fliessen alljährlich über 150 000 Franken in die Kriegskasse. Dies ermöglicht eine laut Morfs Angaben bescheidene Entschädigung des Präsidenten und dessen Aktivität an allen möglichen Fronten. Trotz dem nach wie vor hohen Mitgliederbestand – er hat gegenüber den besten Zeiten um knapp 10 Prozent abgenommen – stellt Morf Veränderungen fest. Nachdem früher praktisch durchs Band ausgeprägter Kampfgeist vorhanden war, haben sich heute drei Gruppen gebildet. Während die direkt Betroffenen unentwegt weiterkämpften und die «Solidarischen» diese aus Prinzip und aus Sorge um die Bürgerrechte unterstützten, sei auch eine Gruppe von Resignierten entstanden. Viele von ihnen betrachteten die Schweiz heute als Bananenrepublik, bilanziert Morf. Obwohl die dritte Gruppe gewachsen sei, könne man aber ohne grossen Aufwand immer noch in kurzer Zeit 2000 Leute mobilisieren, sagt er stolz. Dies habe sich zuletzt bei der Begehung des 2000. Tages seit der Einführung von Südanflügen im vergangnen April in Zürich gezeigt.