Fairflug nennt sich eine Volksinitiative, über die Ende September abgestimmt wird. Fair ist daran aber nicht viel.
Von Liliane Minor
Auf den ersten Blick erscheint die Idee von Fairflug bestechend: Statt einige wenige Leute mit enorm viel Fluglärm zu beschallen, sollen alle ihren Teil der Last tragen, dafür aber auch in den Genuss garantierter Ruhezeiten kommen. Dass Lärm erträglicher ist, wenn zeitweise Ruhe herrscht, leuchtet ein. Nur: Mit der Fairflug-Initiative lässt sich dieses Ziel nicht erreichen.
Das beginnt schon bei der ganz simplen Frage der Umsetzbarkeit, zu der die Initianten bezeichnenderweise keine Angaben machen. Zwar wollen sie den Fluglärm gerecht verteilen. Aber was ist gerecht? Wenn alle gleich viel haben, oder wenn die dicht besiedelten Regionen weniger Lärm abbekommen? Dazu sagen die Initianten vage: Der Osten soll weniger, der Süden mehr Lärm erhalten. Weitere Fragen bleiben gänzlich unbeantwortet. Wie lange dauern die Ruhefenster? Eine Stunde oder eine Woche? Wer bestimmt, wann welche Region Ruhe hat? Was, wenn das Wetter – was hierzulande oft der Fall sein dürfte – gerade nicht zum vorgesehenen Flugkonzept passt? Wie wird kontrolliert, ob der Fluglärm tatsächlich gerecht verteilt worden ist? Und was passiert, wenn das nicht der Fall ist?
Wetter als unberechenbarer Faktor
Der Verdacht liegt nahe, dass die Initianten selbst keine Vorstellung haben, wie ihr Anliegen umgesetzt werden könnte. Wie auch immer das Resultat am Ende aussähe, eines steht ausser Zweifel: Es wird kompliziert. Und das Wetter bleibt eine unberechenbare Komponente.
Allerdings ist die Umsetzbarkeit nicht der einzige Haken, den diese Initiative hat. Gerechtigkeit und eine Beruhigung im Fluglärmstreit versprechen die Fairflug-Befürworter. Aber die hehren Ziele sind mit dem Vorhaben nicht erreichbar. Gerechtigkeit bringt es schon deshalb nicht, weil das Konzept nur während der deutschen Sperrzeiten gelten soll. Alle, die tagsüber den Löwenanteil an Fluglärm zu ertragen haben, werden mit Fairflug nie einen Tag ohne Triebwerkgedröhn geniessen können. Eine Beruhigung im Fluglärmstreit ist auch nicht zu erwarten, im Gegenteil. Soll diese Art Rotationsprinzip umgesetzt werden, sind erneute, heftige Verteilkämpfe programmiert. Denn was gerecht ist, beurteilt jede Region anders.
Dazu kommt, dass niemand genau weiss, wie sich Fairflug lärmmässig auswirken würde. Der Regierungsrat ist der Ansicht, es würden massiv mehr Menschen über dem Immissionsgrenzwert belastet. Bewiesen ist diese Vermutung nicht, denn die Lärmkurven für ein solches Betriebssystem wurden noch nie berechnet. Immerhin aber hat der Bund andere Verteilvarianten geprüft, und das Resultat war eindeutig: Wer Lärm verteilt, belastet mehr Menschen.
Die Initianten hingegen versichern, das Gegenteil sei der Fall. Es hätten weniger Menschen unter Fluglärm über dem Grenzwert zu leiden, weil der Lärm gewissermassen verdünnt werde. Mit Verlaub: Die Idee, Lärm sei verdünnbar, ist absurd. Ein Flugzeug wird nicht leiser, nur weil es nicht jeden Tag am selben Ort durchfliegt.
Gefährliches Signal nach Deutschland
Aber letztlich ist der Streit um die Grenzwerte ohnehin irrelevant. Entscheidend ist die Tatsache, dass mit Fairflug mehr Menschen zeitweise Fluglärm zu ertragen hätten. Das ist nicht wegzudiskutieren. Und es ist nun einmal nicht vernünftig, mehr Leute als nötig zu stören, wenn der Gewinn für die Allgemeinheit am Ende marginal ist. Ob dieser Lärm dann einen Grenzwert überschreitet oder knapp darunter bleibt, ist jenen, die sich gestört fühlen, einerlei. Ebenso, ob sie statistisch gesehen überhaupt als Betroffene gelten.
Schliesslich wäre ein Ja ein falsches Signal nach Bern und nach Deutschland. Es könnte als faktischer Freipass verstanden werden, möglichst alle Flugbewegungen über dem Kanton Zürich abzuwickeln. Und ganz sicher könnte sich keine Himmelsrichtung mehr über zu viel Fluglärm oder neue Flugrouten beklagen, ohne sich lächerlich zu machen.
Tages-Anzeiger, 07.09.2009, Seite 11
Kommentar VFSN: Der Tagi bring es auf den Punkt - der Solidaritätsgedanke dient einzig und alleine dazu, Fluglärm in andere Regionen abzuschieben. Dazu zählt auch der Widerstand gegen eine "Fairlängerung" der Ost-West Piste. Das Konzept: So viel Fluglärm wie möglich für den Norden, alles was im Osten anfällt soll dank der zu kurzen Pisten 28 in den viel dichter besiedelten Süden abgeschoben werden.
Für den VFSN gilt wie eh und je: Wir setzen uns dafür ein, dass möglichst wenig Menschen mit möglichst wenig Fluglärm belastet werden. Eine Verlängerung der Piste 10-28 könnte die heutige Anzahl von Lärmbetroffenen signifikant senken - das wäre wahrer "Fairflug".